Bernina Gran Turismo, 10./11. 09. 2022

 

Der Bernina Gran Turismo bildet die Abschlussveranstaltung der Internationalen St. Moritzer Automobilwochen, die mit dem Kilomètre Lancé auf dem Flugplatz in Samedan vor einer Woche begonnen hatte. Auch während der Woche fanden in und um St. Moritz verschiedene Anlässe statt, einen Überblick bekommt man auf der Webseite des Veranstalters, der Internationalen St. Moritzer Automobilwochen AG. Schon kurz vor diesen Events fand die Passione Engadina und das British Classic Car Meeting statt. Selbst während der Automobilwoche gab es einen Event für Sportwagen. Und gleichzeitig mit dem Kilomètre Lancé in Samedan fand die Arosa ClassicCar statt. Da werden die Bündner, vor allem die Engadiner, also richtig beglückt mit Motorsportevents. Der erste im Jahr findet jeweils auf dem zugefrorenen See in St. Moritz statt, the ICE. Kommen wir aber zurück zum Bernina Gran Turismo. Autorennen am Berninapass gab es schon früher. 1929 wurde im Rahmen der St. Moritzer Automobilwoche das Rennen von La Rösa hinauf auf den Berninapass erstmals ausgetragen. Das Besondere an diesem Rennen war das Ziel auf 2’330 Metern Höhe und die Tatsache, dass im Kanton Graubünden Autos erst seit 4 Jahren zugelassen waren. Fast unverständlich, aber bis 1925 waren Automobile im Bündnerland tatsächlich verboten. Reisende mussten an der Kantonsgrenze die Autos von Pferdegespannen ziehen lassen oder in Kutschen umsteigen. Vielleicht ist das auch der Grund, dass dafür die Bahn sehr gut ausgebaut war und eine echte Alternative bot. Heute ist die Albula- und Berninabahnstrecke, nach der Semmeringbahn in Österreich sowie der Mountain Railways of India (Darjeelingbahn, Nilgiribahn, Kalka-Shimla Bahn) in Indien, die dritte Bahnstrecke, die in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Mit Autorennen war aber bald wieder Schluss, bis 2015 der erste Bernina Gran Turismo der ‚Neuzeit‘ durchgeführt wurde. Die Bedingungen waren wettermässig grenzwertig, am Samstag heftiger Regen und am Sonntag lag soviel Neuschnee auf dem Berninapass, dass nicht gefahren werden konnte. Der Event fand damals auch fast einen Monat später, also anfangs Oktober statt und da ist es normal, dass es schneien kann. Das OK hat daraufhin richtig reagiert und den Event in den frühen September verlegt.

Bernina Gran Turismo 2015. Der Ausblick am Sonntag aus dem Fenster des Restaurants auf der Passhöhe. Unter solchen Bedingungen konnte natürlich nicht mehr gefahren werden.

Dieses Jahr fand somit bereits der 8. Bernina Gran Turismo statt. Die Wetteraussichten waren ganz OK mit Temperaturen nachts um den Gefrierpunkt. Da bleibt man frisch, denkt aber trotzdem etwas wehmütig an Events vor zwei Wochen zurück, wo noch Shorts und T-Shirt angesagt waren. Jeder Sommer ist irgendwann zu Ende und man muss sich wieder an warme Jacken gewöhnen. Die brauchte es dann auch, denn bereits ab 06.30h war das Fahrerlager auf dem Bernina Hospiz geöffnet und die Teilnehmer fuhren die 5,7 Kilometer lange Strecke hinunter nach La Rösa zum Start. Um 07.40h wurde der erste Trainingslauf gestartet und eine gute Stunde später der zweite. Nach der Mittagspause fand ab 13.40h der erste von vier Rennläufen statt. Ab 14.30 folgte der zweite Rennlauf. Der Samstag wurde beendet mit dem Drivers Diner für die Teilnehmer. Der Sonntag verlief grundsätzlich gleich, allerdings am morgen gleich mit dem ersten, später mit dem zweiten Rennlauf. Ab 12.30h folgte die Preisverleihung auf dem Bernina Hospiz. In früheren Jahren fand die Preisübergabe unten in Poschiavo statt, wo auch einige ausgewählte Fahrzeuge mitten im Ort auf dem Marktplatz ausgestellt wurden. Da kam jeweils halb Poschiavo auf den Platz und freute sich über das Treiben und die Fahrzeuge, die man sonst nie an diesem Ort sieht. Dagegen ist die Preisverleihung auf dem Bernina doch etwas nüchtern und bescheiden und Zuschauer hat es keine. Schade, dass man sich gegen Poschiavo entschieden hat. Klar ist der Aufwand etwas grösser, aber bei dem Aufwand, der mittlerweile betrieben wird, wäre das sicherlich kein Problem. 2015 nahmen rund drei Dutzend Fahrzeuge teil, dieses Jahr waren es 80 Fahrzeuge. Viel mehr geht nicht, da die Platzverhältnisse das nicht zulassen und man kaum 6 Läufe in zwei Tagen fahren könnte.

Bernina, Gran, Turismo, 2022

Bernina Gran Turismo, 10. bis 11. September 2022. Die Fahrzeuge wurden vor dem Ospizio Bernina geparkt und von dort zum Start hinunter nach La Rösa gefahren.

Viele Events tragen die Zusatzbezeichnung ‚international‘. Wenn man sich dann aber die Teilnehmer anschaut, relativiert sich das Wort und reduziert sich auf national. Beim Bernina Gran Turismo stammen die Teilnehmer aus Deutschland, Finnland, Schweden, Italien, der Schweiz und aus Grossbritannien. Das hängt sicher mit den Organisatoren zusammen, die ausser zwei Personen alle aus Deutschland stammen. Kurt Engelhorn, der ‚Erfinder‘ des Bernina Gran Turismo der Neuzeit, lebt teilweise in England. So ist es naheliegend, dass viele seiner Freunde in die Schweiz zu diesem Bergrennen reisen.

Am Samstagmorgen konnten die beiden Trainingsläufe plangemäss und bei trockener Witterung gefahren werden, während der Mittagspause wurde man gar mit wärmenden Sonnenstrahlen verwöhnt. Am Nachmittag fand dann der erste Rennlauf statt, der aber schon nach wenigen Fahrern vorerst zu Ende war. Ein Teilnehmer verlor in der letzten Linkskurve vor dem Ziel die Kontrolle über seinen Ford RS 200. Das Heck brach aus und der Wagen geriet mit dem linken Vorderrad auf die am Anfang schräge Leitplanke, die wie eine Rampe wirkte und den Ford in die Höhe katapultierte. Nach etwa 25 Metern knallte der Wagen wieder auf die Strasse und wurde am Unterboden und Antrieb erheblich beschädigt. Der aus Finnland stammende Fahrer musste mit der Ambulanz zur Kontrolle ins Krankenhaus gebracht werden, erlitt aber primär einen Schock. Der Zwischenfall sorgte für einen längeren Unterbruch und man musste befürchten, dass für den zweiten Lauf die Zeit nicht mehr reichen würde, denn um 17.20 Uhr musste die Bernina-Passstrasse wieder für den normalen Verkehr geöffnet werden. Claus Müller vom OK-Team verkündete aber zur Freude aller, dass der zweite Lauf gefahren werden kann. Der verlief dann ohne Zwischenfälle und man konnte sich auf den Sonntag freuen. Der begann allerdings noch frischer und feucht, es blieb aber glücklicherweise bei wenigen Regentropfen. Die beiden Rennläufe konnten ohne Zwischenfälle durchgeführt werden.

Bernina Gran Turismo, 10. bis 11. September 2022. Den ersten Lauf eröffnete am Sonntag der Lotus 59B von 1968.

Es war wieder eine tolle Veranstaltung mit interessanten Fahrzeugen, das älteste der Blitzen-Benz aus dem Jahr 1909 von Hermann Layher. Nach den Trainingsläufen am Samstag stellte man Risse in den Drahtspeichenrädern fest und man entschied sich richtigerweise, nach dem Mittag nicht mehr zu starten. Aber einfach so geschlagen geben wollte sich das Team aber dennoch nicht und es wurde kurzerhand Ersatz aus Sinsheim angefordert. So fuhren Mitarbeiter von Hermann Layher nachts ins Engadin und brachten 4 Holzspeichenräder mit. Die wurden am Sonntagmorgen früh gewechselt und so konnte der Blitzen-Benz doch noch auf der Strecke am Bernina bewundert werden. Schon beim Kilomètre Lancé war manch einer erstaunt über die Beschleunigung. Auch am Berg war der Benz zügig unterwegs. Durch die andere Karosserie wirkte er recht zierlich und kompakt. Dass er dennoch kein Kleinwagen ist merkt man sofort, wenn man daneben steht. Und welcher Kleinwagen hat schon 21,5 Liter Hubraum!! So gesehen, besteht der Rekordwagen primär aus einem Chassis mit 2 Achsen und einem Motor. Ein so rares Autos an einem Oldtimer-Rennen in der Schweiz ist wirklich bemerkenswert. Autos aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg leiden zunehmend an mangelndem Interesse, dabei geht vor allem von Fahrzeugen aus der sogenannten ‚Messing-Ära‘ eine besondere Faszination aus. Auch der Mercedes Simplex 60hp machte auf der 5,7km langen Strecke keine schlechte Figur. Auf den Start des Benz von 1894 verzichtete man hingegen, das hätte den Zeitplan doch etwas arg strapaziert. Auch wenn ’nur‘ rund 80 Autos und etwa 20 Motorräder teilnahmen, war die Vielfalt enorm gross. Vertreter der jüngsten Generation waren zwei De Tomaso P72, die auch durch eine imposante Geräuschkulisse beeindruckten. Jeweils am Schluss eines Rennlaufs startete die Motorradgruppe. Im Gegensatz zu den Autos wurden die Motorräder nicht einzeln gestartet, sondern als Gruppe. Das ist natürlich besonders spektakulär und vermittelt Rennsportatmosphäre wie auf einer Rundstrecke.

Bernina, Blitzen-Benz

Bernina Gran Turismo, 10. bis 11. September 2022. Der Blitzen-Benz bei Posten 19

Auch der 8. Bernina Gran Turismo war wieder ein tolle Veranstaltung, man konnte auch mehr Zuschauer beobachten als in den ersten Jahren. 2020 und 2021 konnte der Event trotz Corona durchgeführt werden, Zuschauer kamen sicher auch deswegen weniger. Es lohnt sich wirklich, die Fahrzeuge in einer der schönsten Gegenden der Schweiz hautnah zu erleben. Es gibt übrigens in ganz Europa kein Autorennen, wo das Ziel so hoch liegt wie am Bernina, nämlich auf 2’330 Metern über Meer. Und der Bernina Gran Turismo ist ein Rennen mit Zeitnahme. Die Gewinner in den jeweiligen Kategorien sind auf der Webseite des Bernina Gran Turismo ersichtlich. Gefreut hat man sich auch über den Besuch von Christian Geistdörfer, der zusammen mit Walter Röhrl 1980 und 1982 Rallye-Weltmeister wurde und insgesamt viermal die Rallye Monte Carlo gewinnen konnte.

Bernina, Christian, Geistdörfer

Bernina Gran Turismo, 10. bis 11. September 2022. Christian Geistdörfer, ehemaliger Co-Pilot von Walter Röhrl, schaute sich den Bernina Gran Turismo ebenfalls an.

Fredi Vollenweider, Ela Lehmann, 12.09.2022

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