Rennstrecke Grand Prix Bern – Spurensuche

 

 

Einst zählte die Grand Prix Strecke in Bern zu den bekanntesten der Welt. Heute ist davon nicht mehr viel übrig. 1954 fand auf der legendären Strecke im Bremgartenwald das letzte Formel 1-Rennen statt. Die Strecke wies acht Linkskurven, dreizehn teilweise sehr enge Rechtskurven, aber kaum Geraden auf. Viele Abschnitte mit hohem Tempo machten den Kurs zu einer harten Prüfung für Fahrer und Fahrzeuge. Zu absolvieren waren 66 Runden à 7,2 Kilometer, über drei Stunden sassen die Fahrer am Lenkrad. Die schnellsten Piloten erreichten Geschwindigkeiten von rund 160 Kilometern pro Stunde im Schnitt! Das ist längst vorbei. Nach dem schweren Unfall am 11. Juni 1955 in Le Mans mit über 80 Todesopfern sprach die Schweiz ein bis heute gültiges Rundstreckenverbot aus. Seither finden auf Schweizer Boden keine Formel 1-Rennen mehr statt. Es gibt auch keine geeignete Rennstrecke für einen derart aufwendigen Event. Interessanterweise konnte man für die Formel-E in Zürich und Bern zweimal eine Ausnahme machen. Etwas fragwürdig, denn ob ein Rennwagen mit Verbrennungs- oder Elektromotor in die Zuschauer rasen würde, macht wohl keinen Unterschied. Aber das ist ein anderes Thema. Kehren wir zurück zum Bremgartenwald. Im Oktober 2020 machten wir uns zusammen mit Adriano Cimarosti und Elio Crestani auf den Weg nach Bern und versuchten, die Strecke so weit wie möglich abzufahren.

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Auf den Spuren der ehemaligen Grand Prix Strecke Bern im Bremgartenwald, Oktober 2020. In vielen Bereichen sind heute nur noch Radfahrer und Fussgänger unterwegs.

Kein leichtes Unterfangen, denn von der ursprünglichen Strecke ist heute praktisch nichts mehr zu sehen oder die Abschnitte sind für den Strassenverkehr gesperrt. Etwas einfacher hat man es, wenn ein absoluter Kenner dabei ist, der sich noch an jede Kurve, jede Ecke und jedes Detail der damaligen Strecke erinnern kann. Adriano Cimarosti führte uns an verschiedene Punkte, die noch heute zugänglich sind. Viele Abschnitte wurden in den letzten Jahrzehnten verändert und vor allem verbreitert, damit die Strassen dem heutigen Verkehr gerecht werden. Die Orientierung fällt auch deshalb schwer, weil viele Gebäude nicht mehr stehen oder viele neue da sind, die es damals noch nicht gab. In den knapp 70 Jahren seit dem letzten Rennen ist wirklich viel in Vergessenheit geraten. Der Start war damals auf der Murtenstrasse Richtung Westen. Heute biegt die Murtenstrasse rechts ab und heisst heute Neue Murtenstrasse, die Strecke verlief aber geradeaus, heute die Stöckackerstrasse. Bei der nächsten Kreuzung gelangt man wieder in die Murtenstrasse und die damalige Rennstrecke, die hinunter zum Kieswerk führt. Dieser Abschnitt ist heute noch praktisch unverändert.

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Auf den Spuren der ehemaligen Grand Prix Strecke Bern im Bremgartenwald, Oktober 2020. Die Murtenstrasse hinunter zum Kieswerk, heute noch gleich wie damals. Die Häuser links wurden erst vor wenigen Jahren gebaut. Ob die Bewohner wissen, dass vor ihrem Haus eine geschichtsträchtige Strasse verläuft?

Weiter führte die Strecke in die Eymattstrasse. Auf dieser langen und schnellen  Linkskurve kam Achille Varzi am 1. Juli 1948 im Training mit seinem Alfa Romeo Tipo 158 Alfetta von der Strecke ab und prallte gegen einen Baum. Der 44-jährige Varzi kam dabei auf der regennassen Strecke ums Leben. Noch heute erinnert ein Plakat an diesen Unfall. Von der Eymattstrasse biegt die Strecke rechts ab in die Wohlenstrasse. Nach etwa 200 Metern folgt eine Rechtskurve, die Tenni-Kurve, die dem italienischen Motorradfahrer Omobono Tenni zum Verhängnis wurde. Auch er prallte am 1. Juli 1948 links im Wald gegen einen Baum und starb. Fans besuchen noch heute die Stelle, sogar sein Name wurde in einen der Bäume geritzt. Die Strecke führte dann durch den Bremgartenwald über die Halenstrasse zurück zu Start und Ziel. In der letzten Rechtskurve steht auf der gegenüberliegenden Seite eine Werkstatt, die Garage Bizzozero. Die gibt es noch heute, in etwas modernerer Erscheinung. Von der Garage Bizzozero führte die Strecke wieder vorbei an den Bahngeleisen und den grossen Tribünen, die damals eigens für das Rennen aufgebaut wurden. Mit Hilfe des von Adriano Cimarosti verfassten Buches Grand Prix Suisse und seinen detaillierten Kenntnissen, konnten wir die Stellen der ehemaligen Strecke finden.

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Auf den Spuren der ehemaligen Grand Prix Strecke Bern im Bremgartenwald, Oktober 2020. Das Buch von Adriano Cimarosti lieferte wichtige Hinweise zur Streckenführung.

Das Rennwochenende vom 01. bis 04. Juli 1948 forderte noch ein drittes Todesopfer. Der Schweizer Rennfahrer Christian Kautz verunfallte am 04. Juli im Rennen mit einem Maserati 4CL fast an der gleichen Stelle wie drei Tage zuvor Achille Varzi. Wahrlich ein Schwarzes Wochenende im Sommer 1948 in Bern. 1998 gab es in Bern ein Revival, dem in den folgenden Jahren einige weitere folgten. Das waren natürlich keine Rennen mehr sondern Demonstrationsfahrten. Dennoch faszinierend und beliebt.

Wer sich für den Rennsport aus vergangenen Tagen, die Fahrer und ihre Mitmenschen interessiert, dem sei das von Bernhard Brägger verfasste Buch ‚Rennfahren – Tanz mit allen Teufeln‘ wärmstens empfohlen. Das Buch kann über unseren Verlag bestellt werden.

 

2 Gedanken zu „Rennstrecke Grand Prix Bern – Spurensuche

  1. Wunderbar die Erinnerungen an die grosse Zeit in Bern und grossen Dank an Adriano welche diese Erinnerungen in seinen Schriften und Büchern verewigt hat. Schön, dass die Gedenkstätte des grossen Achille Varzi erhalten bleibt.

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