Ein halbes Jahrzehnt musste man sich gedulden seit dem letzten GP Mutschellen, der 2018 durchgeführt wurde. Corona kam und die für 2022 geplante Durchführung wurde schon früh abgesagt, da noch immer keine Planungssicherheit gegeben war. Etwas zu früh meinten Viele, aber immerhin gibt es den GP Mutschellen noch, im Gegensatz zu anderen Events, die ersatzlos gestrichen wurden. Am Sonntag, 30. April 2023 war es endlich soweit, man konnte sich auf den ersten grossen Oldtimeranlass in der Schweiz freuen. Wie immer informiert man sich einige Tage vor dem Anlass über das vorhergesagte Wetter und der Blick auf die Wetterkarte verhiess nichts Gutes. Eine dunkle Wolke und intensiver Regen wurde angezeigt. Gut, es waren ja noch ein paar Tage Zeit, vielleicht….. und Petrus hatte erbarmen, es blieb den ganzen Tag trocken. Zwar ging ein frischer Wind, vor allem an der Strecke, aber um die Mittagszeit wurde man sogar mit ein paar Sonnenstrahlen verwöhnt. Der Freude auf den 9. GP Mutschellen stand also nichts mehr im Weg. Frühes Erscheinen zahlt sich immer aus, man findet noch einen Parkplatz und der Publikumsaufmarsch ist in der Regel noch sehr gering. Ich war rund eine Stunde vor Beginn des ersten Laufs im Fahrerlager und war erst mal überrascht, denn irgendwie sah das nicht mehr so aus wie früher. Auf dem ehemals grossen Platz eingangs Fahrerlager steht ein mehrstöckiges Wohngebäude. Die Bewohner kamen somit an diesem 30. April 2023 erstmalig in den Genuss des GP Mutschellen. Man hofft natürlich, dass es wirklich für alle ein Genuss war, sonst müsste man eventuell mit Einsprachen rechnen. Hoffen wir aber nicht.
Kurz vor 08.30 Uhr wurde der Event mit der ersten Motorradgruppe gestartet zum 1. von insgesamt 4 Durchgängen, Rund 320 Fahrzeuge waren am Start, darunter etwa 80 Motorräder. Neben den eigentlichen Teilnehmern war auch eine Regionalgruppe auf der Strecke zu bewundern. Diese Liebhaber historischer Fahrzeuge stammten aus der Region Mutschellen. Teilnehmen am GP Mutschellen dürfen übrigens alle Fahrzeuge bis 1993, Autos und Motorräder also, die im Sinne des Gesetzes Veteranenfahrzeuge sind oder sein können. Da die Strecke an diesem Tag für den öffentlichen Verkehr gesperrt, dürfen auch Fahrzeuge ohne Strassenzulassung gefahren werden. So konnten an diesem letzten Sonntag im April auch viele richtige Rennwagen auf der Strecke bestaunt werden. Die Vielfalt hätte grösser nicht sein können, es hatte wirklich für jeden Geschmack ein passendes Fahrzeug. Trotz des Namens GP Mutschellen ist der Event kein Rennen, ausser dem Spass an der Freude geht es um nichts, es gibt keine Zeitmessung. Es sollen wirklich alle ihren Spass haben, Fahrer, Zuschauer und hoffentlich auch die Organisatoren, die übrigens einen hervorragenden Job machten. Trotz des gewaltigen Zuschauermenge verlief alles planmässig, es gab kaum Zwischenfälle und wenn , waren es Bagatellen. Auch die Fahrten vom und zurück ins Fahrerlager verliefen äusserst diszipliniert, ohne dass ein Heer von ‘Gelbwesten’ mit Trillerpfeifen dauernd die Leute verscheuchten. Einziger kleiner Mangel war die Gastronomie, die kamen nirgends hinterher und es hatte wohl niemand mit derart vielen Besuchern gerechnet. Bier gab es nur noch aus der Dose, aber immerhin feines Quöllfrisch und statt den schon bald langweiligen Bratwürsten und Cervelats waren ‘Ghackets und Hörnli’ eine doch sehr gute Alternative, zudem wirklich fein zubereitet im temporären Restaurant ‘Boxenstopp’ im Fahrerlager. Betrieben wurde diese Festbeiz vom Handballclub Mutschellen. Also doch alles im Grünen Bereich und wenn man ehrlich ist, sind leere Fässer und Kühlschränke und volle Kassen doch das, was das Ziel ist 🙂
Kommen wir zurück zu dem, was sich auf der rund 1,4 Kilometer langen Strecke bewegte. Wie erwähnt, die Vielfalt war enorm gross, vom kleinen Mini Cooper oder Fiat 500 bis zu den riesigen American La France mit Motoren bis zu 14,5 Litern Hubraum. Das waren aber längst nicht die hubraumstärksten Giganten am Berg, nein, Rekordhalter ist Louis Frey aus Muri mit seinem ‘Gaggenau-Rolls Royce’. Louis Frey betreibt in Muri eine Garage für die Restaurierung und den Unterhalt von Oldtimern. Sein Monster hat er selber gebaut. Als Basis diente ein LKW-Chassis der Marke Gaggenau, den Aufbau konstruierte Louis selber. Damit es aber nicht einfach ein langweiliger Special sein sollte, entschied er sich, als Antriebsquelle einen Flugzeugmotor der Marke Rolls Royce mit dem gigantischen Hubraum von 27 Litern zu verwenden. Die Arbeit lohnte sich, das Fahrzeug zählt an jedem Event zu den Publikumslieblingen. Imposant ist neben der Grösse und dem Hubraum auch die Geräuschkulisse, denn eine Auspuffanlage gibt es nicht, lediglich kurze Rohre an jedem Zylinder befördern die Abgase aus dem Motor. Auch optisch eine Augenweide, denn da schiessen schon mal kleinere oder auch grössere Flammen aus den Rohren. Auf der Strecke kein Problem, aber im Fahrerlager muss man aufpassen, sonst sind die Hosen schnell abgefackelt.
Ein ebenfalls spektakuläres Fahrzeug ist der Delahaye 107 Racer von Riccardo Beccarelli aus Thusis. Im Gegensatz zu modernen Fahrzeugen, in denen sich sehr viele eigentlich unnütze Dinge befinden, kann Riccardos Rennwagen fast als ‘fahrenden Motor’ bezeichnet werden. Ein Chassis, zwei Achsen mit Rädern, Motor, Getriebe und Lenkung und los gehen kann der Spass. Da gibt es nicht dutzende Elektromotörchen für alle erdenklichen Funktionen, nein, am Delahaye ist nur das dran, was es zum Fahren braucht. Im Gegensatz zu diesen Vorkriegsraritäten steht der brave Toyota Corolla 1600 GT aus dem Jahr 1981. Eigentlich ein unspektakuläres Auto, das damals aber in ansehnlichen Stückzahlen das Strassenbild bereicherte. Viele dürften nicht überlebt haben und somit kann auch der fernöstliche kantige Toyota zu den Raritäten gezählt werden. Der Speaker Elio Crestani wusste über jedes Fahrzeug Bescheid und gab den Zuschauern Informationen, auch zum Besitzer und der Geschichte des jeweiligen Fahrzeugs.
Man könnte über jedes Auto und Motorrad eine Geschichte schreiben, denn man findet immer Besonderheiten, die eigentlich erwähnenswert wären, aber wo soll man anfangen. Eine Besonderheit waren auch einige Teilnehmer, die ihre Oldtimer mit e-fuel betankten. Bernhard Taeschler, mit einem Jensen Healey am Start, sagte mir, dass er keinen Unterschied zu normalem Benzin feststellen kann, im Gegenteil, es sei eher etwas mehr Leistung spürbar. Man darf gespannt sein, wie sich dieses Thema weiterentwickelt. Als weitere Attraktion gab es am 9.GP Mutschellen eine Gruppe mit Hot Rods. Wer nicht weiss, was ein Hot Rod ist, dem sei hier kurz erklärt, was Wikipedia dazu sagt.
Ein Hot Rod, oder auch Hotrod, ist ein speziell modifiziertes, meist US-amerikanisches Automodell aus den 1920er bis 1940er Jahren. Der Originalmotor ist zumeist durch ein leistungsstarkes V8-Aggregat ersetzt, die Karosserie aus optischen Gründen umfangreich verändert. Das Hot Rodding ist nur eine der vielen Varianten des US-Customizings. Abzugrenzen sind die Hot Rods insbesondere von den Custom Cars, bei denen ebenfalls umfangreiche Motor- und Karosserieveränderungen vorgenommen werden, deren Basisfahrzeuge jedoch wesentlich jüngeren Datums sind. Die Herkunft des englischen Begriffs ist nicht sicher. Hot Rod heißt wörtlich übersetzt heißes Pleuel. Möglich ist, dass Hot Rod von Pushrod, englisch für Stoßstange oder Schubstange abgeleitet ist. Eine andere Erklärung ist, dass der Begriff aus der Zusammenziehung von Hot Roadster für leistungsgesteigerter Roadster entstanden ist. Rod ist aber auch ein Slang-Wort für Pistole. Manche Quellen behaupten, die Hot Rods hätten ihren Namen daher, weil sie so gefährlich wie eine Waffe sind. Im Englischen steht hot rodding auch als Slangwort für Modifikationen im Gitarrenbau.
Ob es da noch weitere Kriterien und Auslegungen gibt, entzieht sich unserer Kenntnis, jedenfalls gehören diese Fahrzeuge genau so zur Klassikerszene und interessant ist, dass viele Besitzer der jüngeren Generation angehören. Übrigens dürfen Hot- und auch Street Rods bis Baujahr 1932 ohne Kotflügel legal auf öffentlichen Strassen gefahren werden.
Der Tag war schnell vorbei und es ist eigentlich schade, dass der GP Mutschellen nur an einem Tag stattfindet. Es wird doch ein enormer Aufwand betrieben. Das wird aber seine Gründe haben. Jedenfalls wieder super organisiert und durchgeführt. Etwas möchte ich als Medienvertreter noch loswerden. Immer mehr wird die Akkreditierung aufwendig und kompliziert, da müssen seitenweise Formulare ausgefüllt und Dokumente eingereicht werden. Dann vor Ort gibt es trotzdem unnötige Diskussionen. Nicht so am GP Mutschellen. Es braucht keine Voranmeldung. Man geht hin, füllt den bereitliegenden Haftungsauschluss aus und gut ist. Es braucht also nicht immer einen riesen Papierkrieg und Verwaltungsaufwand, den ohnehin niemand richtig bewältigen kann. Bravo, wieder ein super toller Event mit coolen Begegnungen. Die Freude auf 2024 ist schon jetzt gross. Danke an die Organisatoren, Veranstalter und Helfer. Alle weiteren Infos gibt es auf der Webseite des Veranstalters.
Fredi Vollenweider, 1. Mai 2023
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