Indianapolis in Oerlikon, ein ungewohnter Name für einen Oldtimerevent in der Schweiz, aber längst ist er nicht nur bei Insidern ein Begriff für ein wirkliches Highlight in der Schweizer Oldtimerszene. Bernhard Brägger hatte die Idee zu diesem Event 2003, Georg Kaufmann war damals Teilnehmer. Später übernahm Georg zusammen mit seinem Bruder Jo und Karl Marty die Organisation. Der Name Indianapolis, in Anlehnung an den Ovalkurs in den USA, war die Idee des leider 2011 viel zu früh verstorbenen Moderators und TV-Legende Willy Kym. Im Gegensatz zum ‘Original’, welches rund 4 km lang ist, ist das 1912 erbaute Betonoval in Zürich-Oerlikon nur gerade 333,33 Meter lang. Trotzdem werden von den schnellsten Fahrern Geschwindigkeiten von über 100 km/h erreicht und somit fahren die Teilnehmer rund alle 10 Sekunden an einem vorbei. Oerlikon wurde 1934 eingemeindet, d.h. es wurde ein Ortsteil von Zürich, heute der Kreis 11.Die Offene Rennbahn in Oerlikon liegt längst mitten in Zürich und ist umgeben von zahlreichen Geschäftsgebäuden, dem Hallenstadion und auch der Messe Zürich. Vor wenigen Jahren gab es Pläne, die Bahn abzureissen und dann wäre wohl ein weiteres Geschäftsgebäude von Investoren errichtet worden mit dem Ziel, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Der Verein IGOR, Interessengemeinschaft offene Rennbahn Oerlikon, setzte sich aber für den Erhalt dieses baulichen Kulturguts ein. Die Rennbahn ist mehr als eine Sportstätte (übrigens die älteste der Schweiz, die nach wie vor genutzt wird), sondern auch ein architektonisches Unikum. Dank der Initiative der IGOR dürfte eine anderweitige Verwendung des Areals in den nächsten Jahren abgewendet sein. Die Behörden bewilligten den Betrieb bis mindestens 2030 und der Kanton und die Stadt Zürich sprachen einen Sanierungskredit von 5,63 Millionen Franken gut. So sind die Chancen gross, noch viele Jahre attraktiven Sport auf der Offenen Rennbahn erleben zu dürfen, wie eben das Indianapolis in Oerlikon, das eigentlich nur Rahmenprogramm ist – aber ein sehr attraktives.
Am Abend des 23. Juli 2024 war es also wieder soweit und pünktlich um 18.00 Uhr wurde zum ersten Lauf gestartet. Pro Gruppe sind jeweils 6 bis 8 Fahrzeuge auf der Strecke, die 5 – 6 Runden absolvieren, das ganze Spektakel dauert somit eine halbe Stunde und wiederholt sich um 19.30 Uhr und zum letzten der 3 Läufe um 20.30 Uhr. Dazwischen gehört die Bahn der Radfahrern, für die die Strecke 1912 auch gebaut wurde. Das Indianapolis in Oerlikon beschert den Zweiradfahrern so eine grandiose Zuschauerkulisse, die es so bei reinen Radportveranstaltungen nicht gibt. Auch im Radrennsport hört man aber ab und zu Motorensound, nicht ganz so laut, aber nicht weniger attraktiv. Gemeint sind natürlich die Steher. Dabei fährt ein Motorrad vor dem Radfahrer und erzeugt Windschatten. Hinten am Motorrad ist auf einer Breite von etwa 80 cm eine Rolle angebracht. Der Radfahrer berührt diese jedoch nicht sondern folgt im Abstand von einigen Zentimetern dem Motorradfahrer, genannt Schrittmacher. Der Motorradfahrer steht auf dem Motorrad und vergrössert mit seiner Silhouette die Fläche. Der Lenker ist weit nach hinten gezogen, die Griffe enden seitlich der Oberschenkel der Schrittmacher. Es gibt breite Fußrasten, damit sie sicher stehen. Der Gasgriff ist so untersetzt, dass der Schrittmacher besonders fein dosieren kann. Wenn der Steher in seinem Windschatten aus der Puste kommt, ruft er zuvor vereinbarte Kommandos. Damit der Schrittmacher die Anweisungen auch hören kann, trägt er einen Helm mit speziellen Ohrmuscheln, die nach hinten gerichtet sind. Bahnräder haben keine Bremsen und einen starren Antrieb. Die an einen Abstandshalter montierte Rolle verhindert Stürze, wenn das Rad dem Motorrad zu nahe kommt. Fährt ein Radfahrer dagegen, dreht sie sich einfach. Verliert der Radfahrer hingegen den Anschluss und damit auch den Windschatten, ist er „von der Rolle“. Das Steherrennen ist eine Ausdauerdisziplin, die vor allem den Steher fordert. Die Bezeichnung Steher bezieh sich nicht auf den stehenden Motorradfahrer sondern auf den Radfahrer. Der Begriff „Steher“ leitet sich vom englischen „stayer“ ab, das heisst jemand mit Ausdauer (to stay „anhalten, bleiben“). Wer jetzt denkt, dass der ‚arme‘ Radfahrer sich während 45 Minuten hinter dem Motorrad abmüht und der Schrittmacher einfach so auf seinem Motorrad steht, der irrt. Auch für den Motorradfahrer ist die Beanspruchung sehr gross, denn die Fliehkräfte in den stark überhöhten Kurven sind enorm und zudem erfordert die Koordination mit seinem Steher ein hohes Mass an Konzentration.
Kommen wir aber zurück zum Motorsport auf der offenen Rennbahn. Es ist natürlich kein Rennen, es sind reine Demofahrten*. Das erklären die Organisatoren Georg Kaufmann, (Im Bild rechts, zusammen mit Fredy Amweg) sein Bruder Jo und Karl Marty jeweils am Fahrerbriefing. Sicherheit steht an oberster Stelle. Aus diesem Grund sind auch nur offene Fahrzeuge und Motorräder zugelassen. In den beiden engen Steilwandkurven würde das Dach eines Autos die Sicht nach vorne sehr stark beeinträchtigen. Das wissen aber die Fahrer, viele seit Jahren dabei, und verhalten sich äusserst diszipliniert. Als Teilnehmer anmelden zu diesem Event kann man sich übrigens nicht, man wird eingeladen. Das tönt vielleicht etwas befremdlich, hat aber einen simplen Grund. Da die Anforderungen wie erwähnt sehr speziell sind, müssen die Fahrzeuge sorgfältig und mit sehr viel Sachverstand ausgewählt werden. Da macht Georg Kaufmann einen hervorragenden Job. Es geht nämlich auch darum, den rund 6’000 Besuchern möglichst einmalige und hochkarätige Fahrzeuge zu präsentieren, die zwischen den Läufen im Innenbereich der Bahn ausgestellt sind und aus nächster Nähe bewundert werden können. Hier der Link zur Teilnehmerliste. Auch dieses Jahr gab es eine Auswahl an Autos und Motorrädern, die es sonst an ähnlichen Events nicht gibt. Wobei es ähnliche Events nicht gibt, das Indianapolis in Oerlikon ist schon wegen der Radrennbahn mitten in Zürich einmalig. Die Stimmung muss man unbedingt erlebt haben, es trifft sich die Schweizer Oldtimerszene in einer sehr lockeren und geselligen Atmosphäre. Im Gegensatz zu vielen anderen Events gibt es für das Indianapolis in Oerlikon immer ein Verschiebedatum. Normalerweise findet der Anlass am Dienstagabend statt, bei schlechter, sprich nasser, Witterung wird auf den Donnerstag verschoben. Auch die Radrennen finden übrigens nur bei trockener Witterung statt, Steilwandkurven befahren im Regen ist einfach nicht möglich. Das Wetter passte an diesem 23. Juli 2024 aber sehr gut, es war zwar mehrheitlich bewölkt und angenehm warm, keine Gluthitze wie auch schon. So konnte man wieder bis Mitternacht ein tolles Oldtimerfest feiern, das noch lange in guter Erinnerung bleiben wird. Weitere Infos gibt es unter www.rennbahn-oerlikon.ch oder auch über Facebook. Herzlichen Dank an alle Beteiligten.
*Update vom 27.07.2024, siehe Kommentar unten,
Fredi Vollenweider, Ela Lehmann, 26.07.2024
Fredi,und Ela und eurem Team herzlichen Dank für den schönen Bericht,
Auch herzlichen Dank was ihr alles macht mit der Berichterstattung mit tollen Fotos.
Hallo Georg
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Es macht uns jedes Mal viel Freude, über so einen tollen Event wie das ‚Indianapolis in Oerlikon‘ berichten zu dürfen. Nochmals vielen Dank für Euer Engagement und bis bald.
Herzliche Grüsse
Fredi, Ela + Team DREAM-CARS.CH
Danke für die vielen schönen Fotos. Dies ist eine Präsentation von Kulturgut. Eine Demonstration, wie du schreibst, machen wir nicht.
Den Unterschied erkläre ich dir sehr gerne, wenn du das möchtest.
Schönes WE und a liaba Gruass
Kari
Hallo Kari
Danke für Deinen Kommentar und den Hinweis. Das Wort Demonstration kommt in unserem Bericht nicht vor, wir schreiben von Demofahrten. Das hat sich so eingebürgert und das Wort wird auch bei vielen anderen Events verwendet. Ich mache im Text keine Änderung, verweise aber in einem kurzen Update am Schluss des Textes auf diesen Kommentar. Nochmals vielen Dank und Dir ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüsse
Fredi, Ela + Team DERAM-CARS.CH
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