Sie begann mit Regen und endete mit Regen, die 11. Lenzerheide Motor Classics, die vom 07. bis 09. Juni 2024 stattfand. Aber halt, so dramatisch war es nicht. Insgesamt durfte man mit Petrus zufrieden sein, denn der Event konnte weitestgehend unter trockenen Bedingungen abgehalten werden. Der Regen kam am Freitagabend kurz vor 18’00 Uhr, pünktlich zum Corso. Die dunklen Wolken verzogen sich glücklicherweise schnell wieder, so dass der traditionelle Apéro auf dem Postplatz ohne Regenschirme möglich war. Der Auftakt war wie üblich locker und gemütlich und man spürte bei allen Teilnehmern die Freude auf die bevorstehenden zwei Tage Rennatmosphäre auf der Lenzerheide. Wobei das Wort Rennen nicht ganz korrekt ist, denn die Fahrten auf der höchstgelegenen Rundstrecke Europas, gemäss Wikipedia auf 1’473 Metern über Meereshöhe, sind reine Demonstrationsfahrten ohne Zeitmessung. Das ist aber langweilig könnte man meinen, ist aber völlig falsch. Die Lenzerheide Motor Classics ist ein Event, bei dem der Spass und die Freude am engagierten Bewegen eines historischen Fahrzeugs im Vordergrund steht. Spass haben kann man auch ohne Zeitmessung und Rangliste, das bestätigen sicher alle der rund 220 Teilnehmer auf 2, 3 und 4 Rädern. Auch die Zuschauer, die sich das Spektakel auf der Strecke kostenlos anschauen dürfen, kommen voll auf ‘ihre Kosten’. Es ist immer etwas los, da kommt nie Langeweile auf. Die Lenzerheide Motor Classics ist mehr als nur ein Motorsportevent. Es ist eine lebendige Gemeinschaft von Enthusiasten, die ihre Leidenschaft für historische Fahrzeuge teilen, ob selbst am Steuer oder einfach nur als begeisterter Zuschauer. Der Zuschauer kann sowieso nicht feststellen, ob das jetzt Rennläufe mit Zeitmessung sind oder eben reine Demonstrationsläufe. Denn gefahren wird so, wie wenn es um eine Weltmeisterschaft gehen würde – sehr flott. Gefahren wird an den beiden Tagen jeweils am Vormittag und Nachmittag 20 Minuten, was etwa 10 Runden ergibt. Es kommen also wirklich alle in den vollen Genuss von Rennsportatmosphäre.
Gemeldet für die 11. Lenzerheide Motor Classics waren knapp 180 Fahrzeuge und 46 Motorräder. Zusätzlich waren noch der Alpine Club mit etwa zwei Dutzend Fahrzeugen, der ACS mit rund 25 Fahrzeugen und die Dorfgruppe mit etwa 46 Fahrzeugen auf der Strecke zu sehen. Als besondere Attraktion standen 15 Fahrzeuge als Renntaxi zur Verfügung und jeweils zu Beginn eines Rennfeldes zeigten zwei Drift-Cars ihre Künste. Die wilden Drifts in den Kurven waren so präzise ausgeführt, dass die Hinterräder praktisch in der gleichen Spur wie in der Vorrunde den Asphalt mit Gummi überzogen. Am Sonntag durften auch Kunden des Hauptsponsors, der Mercedes-Garage Gut aus Maienfeld, einige Runden drehen, was sichtlich Spass bereitete. Die Stars auf der Strecke waren aber die historischen Autos und Motorräder. Da war die Vielfalt enorm gross. Ältestes Fahrzeug war wie so oft der mächtige weisse American La France, gebaut im Jahr 1917 als Feuerwehrfahrzeug und gefahren seit Jahrzehnten von Ruedi Schawalder. Der riesige Motor hat 6 Zylinder und einen Hubraum von sage und schreibe 14’500 ccm. Angetrieben werden die Hinterräder durch zwei armdicke Ketten. Das Gegenteil des 2.8-Tonnen-Ungetüms von Ruedi Schawalder war der kleine zierliche Cooper Formel 3 von 1949, er wirkt fast wie ein Kinderauto und wiegt mit 220kg Leergewicht gerade mal 8% des American La France. Angetrieben wird der Cooper von einem 500ccm-Motor mit 40 PS. Auch damit kann man schnell unterwegs sein und im Gegensatz zum American La France ist der Cooper immerhin ein reinrassiges Rennfahrzeug.
Man könnte sicher über jedes Auto und jedes Motorrad eine interessante Geschichte erzählen, was leider nicht möglich ist. Aber auf ein Fahrzeug möchten wir dennoch etwas näher eingehen. Es ist der Jaguar XK 120, den Christian Jenny auf die Lenzerheide brachte. Im August 1951 fand ein Bergrennen mit Start in Tiefencastel und Ziel in Sankt Cassian, zwischen Lantsch und Lenzerheide gelegen, statt. Details zur Geschichte dieses Rennens kann man auf der Webseite des Veranstalters nachlesen. Der Jaguar XK 120 wurde 1949 gebaut und hat eine Alu-Karosserie. Aluminium für die Karosserie wurde aber nicht wegen des geringeren Gewichts verwendet, der Grund war Mangel an gutem Stahlblech in den ersten Nachkriegsjahren. Aluminium hingegen gab es genügend, es stammte grösstenteils aus verschrotteten Flugzeugen und Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Und genau dieser Jaguar XK 120 gewann 1951 die Klasse über 3000ccm mit Albert ‘Bätsch’ Scherrer am Lenkrad das Bergrennen Tiefencastel – Lantsch. Auch wenn die Lenzerheide Motor Classics kein eigentliches Rennen ist und statt am Berg auf einem Rundkurs gefahren wird, kann man dennoch den historischen Hintergrund als Basis sehen. Am Samstag während der Mittagspause fand auf der grossen Terrasse der Rothornbahn ein von Martin Sigrist geführtes Interview mit Christian Jenny statt. Die interessierten Zuhörer erfuhren viel Interessantes über die Geschichte dieses einzigartigen XK 120. Da die Lenzerheide Motor Classics wie erwähnt kein Rennen ist, gibt es auch keine Pokale und Auszeichnungen zu gewinnen. Aber die Ausnahme bestätigt die Regel, so konnte Christian Jenny einen Preis entgegennehmen, einen stilisierten Rennwagen aus Holz gefertigt. Gratulation an Christian Jenny und es ist schön, dass Liebhaber wie er ihre teilweise sehr teuren automobilen Sammlerstücke auch an solchen Events dem Publikum zeigen. Denn eines darf man nicht vergessen, Autos sind zum Fahren da. Und vor allem bei Rennfahrzeugen zählt zur aufregenden Optik auch der tolle Sound.
Die Fahrzeuge waren eingeteilt in einzelne Felder mit je 25 Fahrzeugen. Dabei wurde nicht unbedingt nach Alter unterschieden sondern eher nach Charakter, denn durch die Pace Cars werden mögliche grosse Geschwindigkeitsunterschiede eliminiert und es gilt sowieso ein Überholverbot. Im neutralisierten Bereich zwischen der Sporthalle und dem fliegenden Neustart vor jeder Runde muss eine reduzierte Geschwindigkeit eingehalten werden und hier sind auch Positionswechsel erlaubt. Wenn es ein Fahrer etwas gemütlicher angehen will, kann er auf diesem ca. 200 Meter langen Teilstück seinen ‘Verfolger’ vorbeiwinken. Wir hörten schon negative Stimmen zu dieser Neutralisationszone aber dieses Bergabstück wäre sonst einfach zu gefährlich, es gab schon so Zwischenfälle, die aber alle ohne Personenschäden blieben. Und niemand will an einem Event Unfälle, die braucht es einfach nicht. Auf der Webseite des Veranstalters bekommt man einen guten Überblick über die einzelnen Rennfelder mit den jeweiligen Fahrzeugen. Auch dieses Jahr gab es wieder sehr viele interessante und hochkarätige Fahrzeuge, die von den Besuchern im Fahrerlager auch aus nächster Nähe bestaunt werden konnten und durften. Da bekommt man auch schon mal einen Einblick in die innersten ‘Innereien’ eines Fahrzeugs und hat auch die Möglichkeit, mit den Fahrern zu sprechen und Fragen zu stellen. Das Schlendern durch das lange Fahrerlager kommt einem Museumsbesuch gleich, einfach viel lebhafter, spannender und interaktiver. Auf allen Rennplätzen der Lenzerheide Motor Classics konnte man sich ohne grosse Wartezeiten verpflegen. Auch an die Kleinsten Besucher wurde gedacht, sie sollen ja in einigen Jahren unser tolles Hobby weiterführen und ebenfalls Spass und Freude an historischen Fahrzeugen haben. Dazu gab es am Freitagabend hinter dem Postgebäude Seifenkistenfahrten und man sah die Begeisterung.
Die drei erlebnisreichen Tage waren jedenfalls schnell vorbei. Noch etwas zum Wetter, das war viel besser als erwartet. Wie eingangs erwähnt gab es zu Beginn des Corsos einen Regenschauer, ebenfalls einen am Samstagnachmittag. Der war aber auch kurz und hatte keinen Einfluss auf das Geschehen. Leider aber endete die 11. Lenzerheide Motor Classics in einem heftigen Regenschauer und das OK entschied, dass der Event kurz vor 17.00 Uhr abgebrochen wurde. Eine absolut richtige Entscheidung, denn der Schmutz und der Gummiabrieb der Driftcars hätten die Fahrbahn wohl in eine Rutschbahn verwandelt. So kam man etwas früher als erwartet zu seinem Feierabendbier. Schade (nicht wegen dem Bier), aber keine Tragödie, denn die gab es dank der absolut hervorragenden Organisation sowieso nicht. Der Event verlief ohne Zwischenfälle für die Menschen, am Material entstanden ebenfalls keine gravierenden Schäden und so kann man sagen, dass es nur Sieger gab – auch ohne Zeitmessung 😉
Wir sagen allen Beteiligten, dem OK, der Feuerwehr, Sanität, Polizei, den Streckenposten, Helfern und auch der einheimischen Bevölkerung herzlich danke und freuen uns auf den 13. bis 15. Juni 2025, denn dann findet die 12. Lenzerheide Motor Classics statt. Detaillierte Informationen dazu gibt es wie immer auf der Webseite des Veranstalters.
Fredi Vollenweider und Ela Lehmann, 14.06.2024
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Galerie 1
Galerie 2
Video der Dorfgruppe
Video des Rennfelds 8 bei der Rothornbahn
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