Zum letzten Mal dröhnten Ende September 2024 am Obersalzberg in Berchtesgaden die Rennmotoren, das letzte Rossfeldrennen wurde vom 27. bis 29. September ausgetragen. Bereits zwischen 1925 und 1928 fanden auf der steilen Sandstrecke von Berchtesgaden zum Obersalzberg Bergrennen mit Motorrädern und Automobilen statt. Das Salzbergrennen lockte renommierte Rennfahrer nach Berchtesgaden, unvergessen ist zum Beispiel das Duell zwischen Hans Stuck und Rudolf Caracciola im Jahr 1928. Ab 1958 war das Rennen auf der Rossfeldstraße bei Berchtesgaden ein internationaler Wettbewerb für Tourenwagen, Grand-Turismo-Fahrzeuge sowie Sport- und Formel Junior-Wagen, ab 1961 wurde es als Lauf zur Europa-Bergmeisterschaft gewertet. Bekannte Rennfahrer, wie Sepp Greger, Edgar Barth, Gerhard Mitter, Hans Herrmann, Rolf Stommelen und Johannes Ortner, siegten beim „Internationalen Alpen-Bergpreis Rossfeld“. Am 8. Juni 1968 kam hier am Rossfeld der zweifache Berg-Europameister Lodovico Scarfiotti am Lenkrad eines Porsche 910 Bergspyder beim Training ums Leben. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an das Unglück. Kehren wir zurück in die jüngere Vergangenheit. Joachim Althammer hatte die Idee, das geschichtsträchtige Rossfeldrennen wieder aufleben zu lassen und Ende September 2013 fand dann das erste Rossfeldrennen, oder der Internationale Edelweiss-Bergpreis am Rossfeld in Berchtesgaden statt. Namensgeber ‘Internationaler Edelweiss Bergpreis Rossfeld’ ist übrigens die Edelweiss Classic. Die Absicht war, jedes Jahr wieder ein Rennen zu fahren und schon bald wurde bekannt, dass es 2014 am Rossfeld wieder ein Rennen geben soll. Ohne Zeitmessung, es sind reine Präsentationsläufe, trotzdem darf richtig Gas gegeben werden. Wir wollten uns das natürlich live vor Ort ansehen und fuhren Ende September 2014 nach Berchtesgaden. Wir erlebten ein Traumwochenende, das wir nie vergessen werden. Die Bedingungen waren perfekt, es hätte nicht besser sein können.
Bis 2016 fand jedes Jahr ein Rossfeldrennen statt, dann wechselte man in den 2-Jahres-Modus. Joachim Althammer organisiert zusätzlich die Edelweiss Classic und entschloss sich, jeweils abwechslungsweise das Rossfeldrennen und die Edelweiss Classic durchzuführen. Ein gigantischer Aufwand, da können nicht jährlich beide Events abgehalten werden. Dann kam nach 2018 Corona und erst 2022, nach 4 Jahren Pause, gab es das nächste Rossfeldrennen. Und jetzt, 2024, gibt es also zum letzten Mal ein Rennen auf dem Obersalzberg. Ausser, es würde sich jemand finden, der in die Fussstapfen von Joachim Althammer tritt und das Rennen, in welcher Form auch immer, weiterleben lassen würde. Joachim Althammer wird aber nicht arbeitslos, im Gegenteil, er arbeitet mit seinem Team zur Zeit am nächsten Projekt, einem Event auf dem Salzburgring. Legends Grand Prix heisst diese 3-tätige Veranstaltung, bei der historische Sport- und Rennwagen dem interessierten Publikum auf der Rennstrecke gezeigt werden sollen. Es werden ebenfalls keine Rennläufe mit Zeitmessung sein sondern wie am Rossfeld Präsentationsläufe unter rennsportähnlichen Bedingungen. Wir haben schon letztes Jahr in einer Vorschau über diesen Event berichtet, der anfangs Oktober 2025 stattfinden wird.
Nun aber zum diesjährigen Rossfeldrennen. Bei allen Events, die im Freien stattfinden, darf man die Rechnung nie ohne Petrus machen und man beginnt, einige Tage vor dem Event, die Wetterprognosen etwas intensiver zu beobachten. Und genau für das Wochenende vom 27. bis 29. September sah es gar nicht gut aus, viel Regen und von einem Temperatursturz wurde berichtet, wenige Tage zuvor schneite es heftig und oben im Zielgelände lag viel Schnee – und das anfangs September. Jedenfalls waren warme Kleider und ein guter Witterungsschutz für Mensch und Fotoausrüstung nicht nur empfehlenswert sondern unerlässlich. Man hofft natürlich dass es vielleicht nicht ganz so arg kommt wie vorhergesagt. Auftakt zum Event bildete jeweils die Präsentation der Teilnehmerfahrzeuge in der Fussgängerzone von Berchtesgaden, vorgestellt werden die Fahrzeuge von den beiden erfahrenen Speakern Helmut Helmberger und Hannes Mayerl. Helmut war am Samstag und Sonntag Speaker beim Start, Hannes oben in der Zielkurve. Das Wetter war tatsächlich besser als befürchtet, zwar bedeckt und grau, aber weitgehend trocken. Anschliessend wurden die Fahrzeuge ins Fahrerlager überführt. Das Fahrerlager befand sich wie immer auf dem grossen Parkplatz auf dem Obersalzberg, unmittelbar unterhalb der Mautstation. Die Rossfeld-Panoramastrasse ist gebührenpflichtig, deshalb gibt es auf jeder Seite eine Mautstation. Am Abend traf man sich an der Bar im Hotel Restaurant Edelweiss. Jedes von Achim Althammer organisierte Rossfeldrennen hatte ein Thema. Dem legendären „Bergkönig“ Hans Stuck und seinem Sohn Hans-Joachim war das Sonderthema des siebten Rossfeldrennens gewidmet – Die Rennwagen der Familie Stuck. Natürlich war Hans-Joachim Stuck zugegen und pilotierte das mit Sicherheit eindrücklichste Fahrzeug am Rossfeld, den legendären 16 Zylinder Auto Union Typ C. Kein Originalfahrzeug, Audi baute dieses Kunstwerk des Rennsports 1996 neu auf und zeigt es an Events auf der Strecke. Das ist ein Beweis, dass Replikas durchaus Sinn machen, denn so kann man heute den grandiosen Sound dieses Rennwagen wieder erleben. Sonst hätte man lediglich alte Fotos und Filmaufnahmen. Besonders spektakulär ist das Auto mit der hinteren Zwillingsbereifung im Regen. Da gilt es vorsichtig zu sein mit dem Gasfuss, sonst rächen sich die 520 PS. Stuck junior, mittlerweile auch 73 Jahre alt, startete mit dem Auto Union als erster, machte sich dann auf den Weg zurück zum Start und fuhr noch den Audi V8 DTM. Er hatte an diesem Wochenende also richtig viel zu tun.
Erfreulicherweise war das Wetter ganz akzeptabel, der angekündigte Regen kam erst im Laufe des Nachmittags kurz vor dem Start zum 3. Durchgang. Da blieben dann doch einige Fahrzeuge im Fahrerlager stehen, auch die Motorradfahrer verzichteten aus Sicherheitsgründen auf den letzten Lauf am Samstag. Dafür war pünktlich Feierabend und man konnte sich ohne Stress auf den Abend vorbereiten. Für den Sonntag waren die Wetterprognosen besser, früh morgens regnete es noch leicht, dann wurde es aber besser und alle Läufe konnten bei trockenen Bedingungen gefahren werden. Allerdings lag oben im Ziel beim Ahornkaser etwas Schnee, der bis am Nachmittag aber wieder weitgehend verschwunden war. Entsprechend frisch waren die Temperaturen und statt eines Biers genehmigte man sich lieber einen Glühwein. Die Strecke wurde am Samstag und Sonntag jeweils ab 09.30h gesperrt und um 10.00h wurde zum Besichtigungslauf gestartet. Danach folgten die beiden ‘Rennläufe’, wobei es keine Zeitnahme gab. Die 160 Autos und rund zwei Dutzend Motorräder starteten im Abstand von 30 Sekunden, gewisse Rennwagen starteten aber durch, d.h. sie fuhren vom Vorstart direkt über den Start auf die Strecke. So auch der Auto Union Typ C mit dem 16 Zylinder-Motor. Auch die Motorräder folgen am Schluss des Feldes als Gruppe. Als Showeinlage startete eine Gruppe Vespas. Ebenfalls eines der Highlights an jedem Rossfeldrennen waren die 20 Oldtimer-Busse und Postautos, welche die vielen Zuschauer an bestimmte Punkte an der Strecke brachten. Oben in der langen Rechtskurve vor dem Ziel, dem ‘Reich’ von Speaker Hannes Mayerl, war der Andrang sehr gross. Da wurde es teilweise recht eng auf der Strecke, denn während die Busse in doch eher gemächlichem Tempo bergwärts fuhren, kehrten die Teilnehmer wieder zurück ins Fahrerlager. Für Fahrzeuge mit Strassenzulassung bestand auch die Möglichkeit, vom Ziel aus weiterzufahren und über die Rossfeld-Panoramastrasse zurück zum Fahrerlager zu gelangen.
Das Teilnehmerfeld war sehr hochkarätig, wie immer am Rossfeld. Knapp 20 Fahrzeuge stammten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, darunter 4 Bugatti. Einer dieser Bugatti, ein Typ 35b aus dem Jahr 1927, war das älteste Fahrzeug. Gefahren wurde der fast hundertjährige Rennwagen von Peter Etienne. Wie immer am Rossfeldrennen war auch 2024 viel Prominenz anwesend. Neben Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck im legendäre Auto Union Typ C waren Ex-Formel-1-Pilot Jochen Mass, Tourenwagen-Legende Prinz Leopold von Bayern, Rallye-Weltmeister Stig Blomqvist (im Bild rechts, zusammen mit Franco Gansser) und Le Mans-Haudegen Rudi Lins (im Bild mit Moderator Martin Utberg) anwesend. Der Vorarlberger steuerte den Porsche Carrera 6, mit dem er schon 1967 auf dem Rossfeld antrat und die Europa-Bergmeisterschaft für Sportwagen gewinnen konnte. Prinz Leopold von Bayern fuhr den BMW 3.0 CSL, der zu hundert Prozent mit E-Fuels betrieben wird. „Wir haben uns mit dem Royal Bobsleigh Automobilclub auf die Fahnen geschrieben, CO2-neutral zu fahren. Auf der Rennstrecke sind wir damit auch Vorreiter für die Straße“, erklärte „Poldi“. Jochen Mass startete mit einem Porsche 356 A Carrera GS/GT Speedster aus der Sammlung des Hans-Peter Porsche Traumwerks. Audi Tradition bringt für Stig Blomqvist, den Rallye-Weltmeister 1984, sein damaliges Einsatzgerät, den Audi Quattro A2, ans Rossfeldrennen nach Berchtesgaden. Ebenfalls regelmässig am Rossfeldrennen war der zweifache Deutsche Rallye-Meister auf Audi, Harald Demuth. Über einen Fahrer freuten wir uns ganz besonders. Es ist Hans Hofmeister, ein NSU-Sammler aus der Region. Wir lernten Hans, seine Frau Bärbel und die ganze Familie schon vor 10 Jahren am Rossfeldrennen kennen. Hans startete wahlweise mit dem Brixner NSU Bergspyder, für den er sogar eine Strassenzulassung hat oder dem selber gebauten Thurner RS mit den charakteristischen Flügeltüren. Leider ist Hans mittlerweile sehr geschwächt von seiner Krankheit, seine Frau verstarb vor 3 Jahren und dennoch wollte er am Rossfeld mit Ela Lehmann als Copilotin starten, trotz all diesen Schwierigkeiten setzte er sein Vorhaben um und freute sich schon Wochen vor dem Event. Vielen Dank Hans und an Deine Familie für dieses aussergewöhnliche Erlebnis.
Zur Familie Hofmeister gibt es noch eine Geschichte. Oben im Zielgelände gibt es eine Hütte rechts von der Strasse. Personal des Strassenunterhalts und deren Familienangehörige können diese Hütte privat nutzen. So nutzt Familie Hofmeister jeweils während des Rossfeldrennens diese Unterkunft. Interessant ist, dass die Grenze Deutschland – Österreich quer durch diese Hütte verläuft. Vorne an der Strasse gibt es zwei Grenzsteine. Früher war dies die normale Grenze zwischen den beiden Ländern, heute ist diese bedeutungslos. Dass sie aber dennoch nicht unwichtig ist hat uns Elisabeth Hofmeister, die Tochter von Hans, erklärt. Im grossen Aufenthaltsraum rechts gibt es einen Kaminofen. In der Mitte, vom Korridor aus zugänglich, befindet sich die Toilette. Links davon gibt es einen weiteren Raum, ebenfalls mit einem Kaminofen. Kommt der deutsche Kaminfeger, reinigt er nur den Ofen im grossen Raum, für den anderen ist der österreichische Kaminfeger zuständig. Wenn man sich im grösseren auf deutsche Seite liegenden Raum befindet und aufs Stille Örtchen muss, verlässt man Deutschland, weil sich das ‘Scheisshäuserl’ in Österreich befindet 😉 Diese doch sehr amüsante Geschichte wird aktuell durch einen Zwischenfall ergänzt. Zwischen dem Ziel und der besagten Hütte steht etwa 15 Meter unterhalb der Strasse in sehr steilem und unwegsamen Gelände ein silberner Skoda. Viele sahen dieses Fahrzeug und fragten sich, wie es dorthin kam, denn es gibt weit und breit keine Strasse. Spuren im frischen Schnee gab es auch keine. Seinen Anfang nahm dieser Ausrutscher vor gut 2 Wochen, als es innert kurzer Zeit über einen halben Meter Schnee gab. Der Autolenker des Skoda parkte und vergass, die Handbremse zu betätigen, was zum Abrutschen des Wagens führte. Der Mann begab sich anschliessend zu Fuss ins etwa 7 Kilometer entfernte Berchtesgaden, wo er den Zwischenfall meldete. Die Polizei und Feuerwehr rüstete ihre Fahrzeuge kurzerhand auf Winterreifen um und fuhren zur Unfallstelle. Dort angekommen bemerkten die Einsatzkräfte, dass das Fahrzeug auf österreichischem Territorium steht, somit seien die Deutschen für die Bergung nicht zuständig. Die Österreicher müssten mit einem Kran von Deutschland aus operieren, was offenbar auch nicht gemacht werden will oder kann. So steht der Skoda in der Pampa und wartet auf bessere Zeiten. Rennbedingte Ausrutscher gab es nur ganz wenige, einen Abarth hatte es leicht erwischt. Wetterbedingt war der Boden recht matschig und rutschig, so gab es auch bei den Zuschauern den einen oder anderen Ausrutscher 😉
Erwischt hatte es auch Claude Petitjean mit seiner Fairlady. Der Datsun erlitt im zweiten Lauf am Sonntag einen kapitalen Motorschaden und musste per LKW geborgen werden. Aber das gehört dazu, das kann jeden treffen. Dank guter Organisation und einer disziplinierten Fahrweise verlief das letzte Rossfeldrennen ohne nennenswerte Zwischenfälle und fand mit dem Schlussabend und der Siegerehrung ein sehr schönes Ende. Siegerehrung, wenn keine Zeitmessung erfolgt, wie geht das, werden sich einige fragen. Ganz einfach, es geht um Schönheit, sehr spezielle Autos oder um Fahrer, die schon damals mit dem gleichen Fahrzeug an den Rossfeldrennen teilnahmen. Das soll es also gewesen sein mit den Rossfeldrennen? Schwer vorstellbar, aber es gibt einen Lichtblick. Joachim Althammer erklärte, dass er neben der Edelweiss Classic und dem neuen Legends Grand Prix auf dem Salzburgring das Rossfeldrennen aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr durchführen kann. Es sei aber nicht so, dass das Rossfeldrennen zu Gunsten des Legends Grand Prix ‘geopfert’ wurde. Es gibt Interessenten, die sich für die Weiterführung interessieren und das OK vom Rossfeldrennen unternimmt alles, dass es weitergeht. Auch Landrat Bernhard Kern versicherte, dass die Gemeinde Berchtesgaden eine Weiterführung begrüssen würde. Sicher würden sich auch die vielen Zuschauer, es sind tausende, die das Rossfeldrennen jeweils besuchten, über eine Weiterführung freuen. Und eines darf man nicht vergessen: Der Reinerlös dieser 7 Rossfeldrennen kam der Lebenshilfe Berchtesgadener Land zugute, insgesamt konnten so über eine Million Euro für hilfsbedürftige Menschen gesammelt werden. Dazu beigetragen haben jeweils auch die Versteigerungen von Artikeln und Bildern am Schlussabend. Auch wir sagen danke für die 6 Rossfeldrennen, die wir miterleben durften und sind zuversichtlich, dass wir auch in der Zukunft über Rennsport am Rossfeld berichten können, in welcher Form auch immer. Herzlichen Dank an alle. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Veranstalters.
Fredi Vollenweider, Ela Lehmann, 02. Oktober 2024
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