Brazzeltag – ein etwas seltsam anmutendes Wort. Freunde von etwas exotischeren Fahrzeugen, oftmals mit Flugzeugmotoren, kennen natürlich den Brazzeltag, der jedes Jahr vom Technik Museum Speyer veranstaltet wird. Aber was bedeutet Brazzel? Brazzel ist ein Familienname, das Wort kommt aus dem Irischen. Im Internet kann man die Geschichte dieses Namens hier nachlesen. Natürlich hat der Brazzeltag in Speyer mit dem Familiennamen nichts zu tun. Seinen Namen verdankt der Event dem in Rheinland-Pfalz und Schwaben gebräuchlichen Begriff „brazzeln“ – der so viel bedeutet wie „dampfen, zischen, knattern, surren, brummen, dröhnen“. Und genau darum geht es, um spektakuläre Fahrzeuge, nichts für Originalitätsfetischisten, da steht wirklich das Aussergewöhnliche im Vordergrund. Der Veranstalter beschreibt den Brazzeltag wie folgt:
Brennende Reifen, heulende Motoren, knatternde Oldtimer und das dröhnende Signalhorn eines Seenotrettungskreuzers. Dies und noch viel mehr gibt es am spektakulären Aktionswochenende des Technik Museum Speyer, dem BRAZZELTAG. Während auf der museumseigenen Rennstrecke spektakuläre Oldtimer, Rekordfahrzeuge und Stars, wie Brutus zeigen, was sie können, sorgen in der Brazzelarena waghalsige Stunts und gemütliche Runden auf Lanz Traktoren dafür, dass große und kleine Besucher auf ihre Kosten kommen. In der Fan Area findet man Schätze aus allen Epochen der automobilen Geschichte und auf der Händlermeile kann nach Herzenslust geshoppt werden. Ein breites Angebot an Essen und Getränken, Live Musik und vieles mehr machen den Brazzeltag unvergesslich. Auf unserer „Rennstrecke“, dem Brazzelparcours, gibt es klassische Oldtimer, Sportwagen oder US Cars in Fahrt zu erleben! Ein Highlight hier ist wie immer, neben anderen Hubraumgiganten, unser Brutus. Neben Kuriositäten wie dem Guiness-World-Record Krankenfahrstuhl (bekannt aus Grip), einer fahrenden Bierbank oder einem VW-Bulli Monstertruck freuen wir uns am Brazzeltag-Sonntag auf den Besuch von Jndia Erbacher die uns ihren 11.000 PS starken Top-Fuel-Dragster in Aktion zeigt!
Was wäre der BRAZZELTAG ohne den ohrenbetäubenden Run des Schoolbus Dragster von und mit Gerd Habermann. Nach einer einjährigen BRAZZELTAG-Pause kehrt der King of Fire wieder zurück in die Salierstadt. Ein weiteres außergewöhnliches Fahrzeug ist der „Gaggenau Rolls“. Der Rennwagen im Stil der 30-Jahre wird von einem Rolls-Royce Merlin Flugzeug-Motor angetrieben. Der Hubraum des Zwölfzylinders beträgt 27-Liter.
Kenner der Szene wissen es längst, beim „Gaggenau Rolls“ handelt es sich um das Fahrzeug von Louis Frey.

Brazzeltag im Technik Museum Speyer, 10. und 11. Mai 2025. Rechts der ‚Gaggenau Rolls Royce‘ von Louis Frey
Einer der weiteren Stars, der mächtige ‚Brutus‘ aus dem Technik Museum, wollte an diesem Wochenende nicht mitmachen, technische Probleme mit Dichtungen verunmöglichten die Präsentation auf der Strecke. Beim Experimentalfahrzeug Brutus bildet ein Fahrgestell mit Kettenantrieb von 1907 die Grundlage. Auf dieses wurde ein 12-Zylinder-Flugmotor von BMW mit einem Hubraum von knapp 47 Litern montiert (aus dem 1. Weltkrieg). Alle Informationen über dieses Fahrzeug gibt es auf dieser Seite. Das war natürlich schade, denn wann kann man schon ein derart spezielles Fahrzeug fahren sehen. Als Entschädigung war aber der nur etwas kleinere Bruder des Brutus, der Packard-Bentley Mavis, in action zu bewundern. Dieses Monster ist mit Sicherheit eines der genialsten und verrücktesten Fahrzeuge, die je gebaut wurden. Mit seinem riesigen 42-Liter-Motor, 24 Auspuffrohren und einer Länge von 6,4 Metern ist das Fahrzeug eine beeindruckende Erscheinung. Chris Williams, Mitglied im gemeinnützigen Auto + Technik Museum Sinsheim e. V., ist der Schöpfer dieses außergewöhnlichen Fahrzeugs. Sieben Jahre seines Lebens, viel Geld und technisches Know-how hat er in den Bau des Packard-Bentleys investiert. Die meisten Teile stammen aus alten Oldtimern, was Williams mit einem Augenzwinkern als „die größte Verschwendung von Zeit, Geld und „Ingenieurswissen“ bezeichnet. Benannt hat Williams sein ‚Baby‘ nach der fiktiven Frauenfigur Mavis Wilton (Riley) aus der britischen Fernsehserie „Coronation Street“ der 1960/70er Jahre. Wie sie ist Mavis eine beeindruckende Kombination aus Robustheit und Charakter. Und die Mavis auf 4 Rädern kann kräftig Feuer spucken. Auch über dieses Fahrzeug gibt es hier viele Informationen.

Brazzeltag im Technik Museum Speyer, 10. und 11. Mai 2025. Der Packard-Bentley Mavis auf der museumseigenen Strecke
Der Brazzeltag, es sind aber ja zwei, Samstag und Sonntag, ist ein Event, an dem Spektakel und Unterhaltung im Vordergrund stehen. Und wir können nach dem ersten Besuch sagen, der Spassfaktor ist enorm. Auf dem Museumsgelände wurde ein Parcours von einigen hundert Metern länge errichtet, genannt Brazzelparcours, auf dem die Fahrzeuge bewegt wurden. Es gab viele verschiedene Gruppen, eingeteilt in eine spezielle Thematik. Da waren beispielsweise ‚Crazy Wheels‘, Fahrzeuge, die von Enthusiasten ‚zusammengebastelt‘ wurden. Strassenzulassungen sind da natürlich ein Fremdwort, aber auf dem Brazzelparcours konnten die Tüftler ihre Kreationen dem applaudierenden Publikum gezeigt werden. Eine weitere Gruppe hiess ‚die Postapokalypse auf Rädern‚, da fuhren wilde Gestalten in ebenso wilden Fahrzeugen über die Strecke. Würde man dieser Truppe nachts begegnen….Den ganzen Tag waren auf den verschiedenen Flächen Aktionen im Gang. Das alles beschreiben zu wollen würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, deshalb haben wir viele Fotos gemacht, so bekommt man einen kleinen Eindruck vom Brazzeltag. Eines der Highlights war sicher der Dragster von Urs und Jndia Erbacher. Urs Erbacher, mehrfacher Europameister in den Klassen ‚Top Methanol‘ und ‚Top Fuel‘, übergab 2017 den Sitz und das Lenkrad seiner Tochter Jndia, die eine wirklich würdige Nachfolgerin ist, sie wurde 2024 in der von der FIA ausgetragenen Dragster-Meisterschaft Europameisterin und ist somit die schnellste Frau Europas. Als besondere Attraktion wurde der Dragster mit rund 11’000 PS zweimal am Tag gestartet. Da hat das gesamte Team ziemlich viel zu tun, bis der Motor läuft. Dann aber, dann geht es richtig zur Sache. Schon im Standgas erzeugt das Triebwerk einen kernigen Sound und wenn Jndia aufs Gas tritt ist es so, als würde eine Bombe explodieren. Die Vögel trauten sich erst nach etwa einer Stunde wieder auf die Bäume auf dem Areal 😉

Brazzeltag im Technik Museum Speyer, 10. und 11. Mai 2025. Der Dragster vom Team Erbacher beim Starten des Motors
Natürlich waren auch alle Museumshallen an diesen beiden Tagen geöffnet, da machten wir aber eine Besichtigung im Schnelldurchgang, denn die Exponate kann man auch in etwas ruhigeren Zeiten besichtigen. Auch um die Hallen stehen allerlei Kuriositäten mit Flügeln, Rädern, Raupen und sonstigen Antrieben. Dabei ist uns eine riesige Dampflok aufgefallen, die hinter der Halle entlang der Strasse steht. Sie ist Highlight der Lokomotivensammlung des Technik Museum Speyer, „Qian Jin“, deren Name Fortschritt bedeutet, ist die einzige chinesische Dampflokomotive in Deutschland. Sie ist mit Tender 26 m lang, 4,80 m hoch und 3,30 m breit. Das Leergewicht beträgt stolze 152 Tonnen. Die Qian Jin entstammt der größten je in China aufgelegten Baureihe – 5048 Exemplare dieses Typs verließen zwischen 1964 und 1988 das Werk in Datong. Die gewaltigen Ausmaße und das Gewicht erforderten einen komplizierten Sondertransport der in Luzern begann. Die Lok war bis dahin im dortigen Verkehrshaus der Schweiz gezeigt worden. Zwar gibt es einen Schienenweg zwischen Luzern und Speyer und auch die Spurweite hätte gepasst, doch hätten Weichenanlagen stark beschädigt werden können. So blieb als einzige Transportmöglichkeit der Straßentransport mittels Tieflader. Aufgrund der Ladehöhe, die verhindert hätte, dass der Schwertransport unter Autobahnbrücken hindurch gekommen wäre, musste die Dampflok quer, also liegend, auf dem Schwertransporter befördert werden. Wenn man sich heute die Weltwirtschaft anschaut, in der China eine wichtige Rolle spielt, fragt man sich aber berechtigt, weshalb eine bis 1988 gebaute völlig veraltete Lokomotive ‚Fortschritt‘ genannt wurde. Man bedenke, dass in Frankreich 1982 der TGV in Betrieb genommen wurde.

Brazzeltag im Technik Museum Speyer, 10. und 11. Mai 2025. Qian-Jan, zu deutsch Fortschritt, heisst diese Dampflok, die in über 5’000 Exemplaren bis 1988 hergestellt wurde. Sieht Fortschritt vor 37 Jahren so aus??
Das war also unser erste Brazzeltag und es wird sicher nicht der letzte gewesen sein. Nächstes Jahr wird der Brazzeltag wieder im zweiten Wochenende im Mai, vom 9. bis 10. Mai, stattfinden. Alle weiteren Infos zum Event und zum Technik Museum Speyer gibt es hier.
Fredi Vollenweider, Ela Lehmann, 12. Mai 2025
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