Ein knappes halbes Jahrhundert schon gibt es die Rétromobile in Paris, die mittlerweile zu den grössten Classic Car Messen weltweit zählt. Über Grösse wird ja häufig diskutiert, Grösse kann auch ganz unterschiedlich gemessen werden. Grösse ist aber längst nicht immer das Mass aller Dinge. Bezüglich der Rétromobile kann aber mit Sicherheit gesagt werden, dass die Messe eine der ältesten ihrer Art ist. Vom 14. bis 22. Februar 1976 fand die erste Rétromobile in Paris statt. Da gab es die meisten der heute an einer Oldtimermesse gezeigten Fahrzeuge noch nicht einmal. Die ältesten Ferrari 308 GTB und GTS waren da gerade mal ein paar Monate alt, heute sind diese Modelle begehrte Klassiker und vor allem an italienischen Messen sehr beliebt und häufig anzutreffen. Was neben der Grösse einer Messe aber noch wichtiger ist, ist die Internationalität und da dürfte die Rétromobile führend sein. Wir sprachen am Stand von Lukas Hüni, einem bekannten Oldtimerspezialisten aus Zürich, mit Niki Hasler, ebenfalls einem bekannten Spezialisten für Fahrzeuge aus dem Hause Ferrari über die Messe. Lukas Hüni besucht als Händler von Klassikern des absoluten Top-Segments jeweils nur eine Messe jährlich, die Rétromobile in Paris. Sein ganz in schwarz gehaltener dezente Stand zählt zu den grössten und schönsten der Messe, die auserlesenen Fahrzeuge kommen so besonders gut zur Geltung. Niki Hasler erwähnte, dass wirklich solvente potentielle Kunden aus der ganzen Welt die Rétromobile in Paris besuchen. Durch mehrere grosse Auktionen und die frühe Durchführung im Jahr setzt die Rétromobile so auch Akzente und ist ein Gradmesser für den Klassikermarkt weltweit.
Es war also an der Zeit, dass auch wir einmal die Rétromobile besuchten. Die Messe dauert heute nicht mehr 9 Tage wie bei ihrer ersten Durchführung 1976, aber immerhin noch deren 5, zusätzlich gibt es am Vorabend des ersten Tages einen Eröffnungsevent. Wenn man einen Anlass zum ersten Mal besucht hat man viele Informationen von Bekannten, aus der Presse und den Sozialen Medien. Diese Informationen können ganz unterschiedlich oder gar diametral sein und kursierten in den letzten Jahren auch über die Rétromobile, was uns zu einem Besuch veranlasste. Wir nahmen uns genügend Zeit, denn Paris bietet ja weitaus mehr als ’nur‘ die Rétromobile, allerdings war das Wetter eher unfreundlich, kalt, feucht und grau war es. Die oberste Plattform des Eiffelturms war wegen Unterhaltsarbeiten bis zum 6. Februar geschlossen, aber auch von der zweiten Plattform aus konnte man einen herrlichen Blick über das Lichtermeer geniessen. Allerdings wehte ein heftiger kalter Wind, der die Lust auf die Aufenthaltsdauer im Freien sehr verkürzte.

Paris von der zweiten Plattform des Eiffelturms aus fotografiert. Am Horizont Montparnasse mit der Sacre-Coeur
Ideales Wetter also für einen Messebesuch, so machten wir uns auf zur Porte de Versailles, wo die Rétromobile im Parc des Expositions stattfand. Die Öffnungszeiten sind übrigens sehr besucherfreundlich, am Morgen geht es um 10.00Uhr los, abends ist bis um 19.00Uhr geöffnet, am Mittwoch und Freitag gar bis 22.00 Uhr, für die Aussteller sind das lange Tage. Beim Betreten der grossen Halle 1 ist es zunächst nicht anders als an anderen Oldtimer-Messen, es gibt Anbieter von Ersatzteilen, Werkzeug, Zubehör, Bekleidung, Modellen usw, glücklicherweise in einem sehr beschränkten Ausmass. Bewegt man sich in den Bereich der Fahrzeuge stellt man schnell fest, dass sich hier die Rétromobile doch erheblich unterscheidet von anderen Messen. Es standen bei etlichen Händlern viele Vorkriegsfahrzeuge, vor allem ganz alte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und davor. Das sah man in den letzten Jahren an keiner anderen Oldtimer-Messe. Auch bei den ausgestellten Auktionsfahrzeugen von Artcurial war der Anteil dieser Fahrzeuggattung beachtlich. Man hört ja immer und überall, dass es für Vorkriegsfahrzeuge keinen eigentlich Markt mehr gibt, das Interesse an solchen Fahrzeugen sei nicht mehr vorhanden. Das mag in einem gewissen Sinn stimmen, wenn man Fahrzeuge aus den Dreissigerjahren vom Schlage eines Ford A als Beispiel nimmt. Viertürige ‚Kisten‘, die sich alle ähneln. Es gibt aber immer auserwählte Besonderheiten, vorwiegend von Herstellern der Oberklasse. Oder anders ausgedrückt, ein Duesenberg oder Mercedes-Benz 540K war noch nie ein Schnäppchen, für solche Fahrzeuge gab und gibt es einen Markt, der aber ein ganz anderer ist als derjenige, wo ‚Brot und Butter-Autos‘ gehandelt werden. Uns jedenfalls haben die vielen weit über hundertjährigen Fahrzeuge fasziniert. Vielleicht auch deshalb, weil man an den Treffen nur äusserst selten auf Vertreter dieser ‚Brass-Era‘ stösst.
Einen Trend, welche Klassiker gerade beliebt sind, konnten wir an der Rétromobile nicht feststellen. An Messen wie beispielsweise der Auto e Moto d’Epoca in Bologna standen im letzten Oktober auffallend viele Mercedes-Benz SLK, in früheren Jahren waren es die Lancia Delta HF Turbo Integrale. Die Rétromobile ist auch keine Verkaufsmesse, wo es um Masse geht, da werden eher ausgewiesene Spezialitäten auf Rädern präsentiert. Dennoch gab es auch für den kleineren Geldbeutel gute Angebote, in einer Halle gab es extra dafür einen Bereich, wo alle zum Verkauf stehenden Fahrzeuge höchstens 30’000 Euro kosten durften. Da traf man dann auf viele Austin Mini und Fiat 500. Es wurde für jedermann etwas geboten. Was man weniger sah sind Teilehändler, Werkzeuge, Bekleidung und Modelle. Das schon deshalb, weil die Rétromobile für die Aussteller eine teure Messe ist, da kostet ein kleiner Stand für die 5 Tage schnell einmal 10’000 Euro und mehr, das rechnet sich dann einfach nicht. Ist aber für den Besucher auch keine Tragödie, wenn man nicht hallenweise T-Shirts und Modellautos sieht. Übrigens sind die Eintrittspreise recht günstig, ein Tagesticket kostet 22 Euro. Das mag dann auch der Grund sein, dass der Publikumsaufmarsch sehr gross war. Für uns Fotografen allerdings sehr ungünstig, denn wirklich gute Bilder kann man so natürlich nicht machen. Wir entschieden uns dann schnell, die Sache mit dem Handy zu erledigen, das ist praktischer und das Resultat lässt sich ebenfalls sehen. In den Hallen 2 und 3 gab es Platz für Clubstände und im Zwischenbereich der beiden Hallen waren Halbkettenfahrzeuge von Citroën ausgestellt. Konstruiert wurden diese Fahrzeuge von Adolphe Kégresse. Adolphe Kégresse (* 20. Juni 1879 in Héricourt, Haute-Saône; † 9. Februar 1943 in Croissy-sur-Seine) war ein französischer Ingenieur, Konstrukteur und Miterfinder mehrerer Halbkettenfahrzeuge. 1929 wurde ein Typ als Citroën-Kégresse P17 von der französischen Armee als Zugmaschine eingeführt, die von einer Baureihe von Citroën-Kégresse Halbkettenfahrzeugen gefolgt wurde. Sehr interessant und so wie an der Rétromobile hat man diese Fahrzeuge noch nie wahrgenommen.

Rétromobile Paris, 5. bis 9. Februar 2025. Ein Citroën-Kégresse Halbkettenfahrzeug P19, wie es auch in der Französischen Armee Verwendung fand.
Erstaunt waren wir über den recht grossen Bereich für die Motorräder. Auch hier gab es exquisite Exemplare zu bestaunen und an der Versteigerung von Artcurial wurden ebenfalls viele Zweiräder angeboten. Wir besuchten die Messe am ersten, dritten und letzten Tag und stellten fest, dass an allen Tagen der Besucherandrang sehr gross war und man wirklich viele Sprachen hörte. Es ist die internationalste Klassikermesse, das steht fest, diese Erfahrung machten auch wir. Hier ein kleines Beispiel. Am Stand von Legends Grand Prix zeigten Achim und Petra Althammer den in Berchtesgaden gebauten Hartmann Formel Junior. Ein Herr interessierte sich für das Auto, das bei angemessenem Preis zum Verkauf steht. Nach Beantwortung vieler Fragen fragte der Herr, ob eine Lieferung in die USA möglich wäre, was natürlich bejaht wurde. Er zeigte uns dann seinen DKW F93, den er in den USA fährt, an Rennen nimmt er derzeit mit einem MG TD teil. Das zeigt, dass es eigentlich keine Grenzen gibt. Ebenfalls freuen über die Rétromobile konnten sich die Freunde von historischen Rennwagen. Da gab es von jeder Epoche faszinierende Exemplare zu bestaunen. Einen Trend, den man seit einigen Jahren feststellt ist die Tatsache, dass die grossen Hersteller fernbleiben, Messeteilnahmen scheinen nicht mehr im Fokus der Verkaufsaktivitäten zu sein. Bezüglich der automobilen Vergangenheit und der Pflege der Klassikerszene waren französische Hersteller sowieso noch nie ein Vorbild, höchstens ein schlechtes und unter dem Dach von Stellantis dürfte sich die Situation nochmals verschlechtern. Und wenn man ehrlich ist, will man an einer Messe für Klassiker nicht unbedingt reihenweise Neufahrzeuge sehen. Von denen gab es auch an der Rétromobile einige, aber in bedeutend erträglicherem Mass als an anderen grossen Messen.

Rétromobile Paris, 5. bis 9. Februar 2025. Der Hartmann Formel Junior am Stand von Legends Grand Prix
Wer die Rétromobile noch nie besucht hat, hat wirklich etwas verpasst. Über die Anzahl Besucher liegen uns noch keine Zahlen vor, es dürften rund 130’000 gewesen sein. Das sind deutlich mehr als an anderen Messen, die Rétromobile dauert aber auch einen Tag länger als die meisten anderen grossen Klassikermessen. Noch ein sehr positiver Punkt, es gab viele Verpflegungsmöglichkeiten in den 3 Hallen mit ganz unterschiedlichen Angeboten, trotz der sehr vielen Besuchern musste man nicht länger als 2 bis 3 Minuten anstehen. Wer nächstes Jahr nach Paris fahren möchte, wir empfehlen übrigens den TGV, sollte sich schon jetzt das Datum für die 50. Rétromobile merken, sie findet vom 28. Januar bis 1. Februar 2026 statt.
Fredi Vollenweider, Ela Lehmann, 11. Februar 2025
Galerie 1
Galerie 2
Es gibt nichts, was es nicht gibt. Unglaublich! Danke für die tollen Fotos!
Danke Werner 🙂
Pingback: Rétromobile Paris, 05. bis 09.02.2025 | DREAM-CARS.CH