Herr Bracchi schickte uns vor ein paar Tagen diese Zeichnung eines ihm völlig unbekannten Fahrzeugs. Obschon er viele Jahre im Automobilbereich tätig war, hat er keine Idee, was das Gefährt darstellen soll und ob es überhaupt jemals gebaut wurde. Es gibt Updates weiter unten im Beitrag.
Bei einem flüchtigen Blick auf die Zeichnung gewinnt man spontan den Eindruck, es handle sich um einen Flugzeugrumpf aus der Zeit des ersten Weltkriegs. Bei der Draufsicht wird aber schnell klar, dass es sich um ein Fahrzeug handelt. Ein sehr ungewöhnliches, für einen ganz speziellen Zweck und Einsatz gedacht. Auffällig sind sofort die eigenartigen Schaufelräder, die weitgehend verkleidet sind. Weitere besondere Merkmale sind die schmale hintere Spur, das Seitenleitwerk, der Allradantrieb mit den seitlich angeordneten Antriebswellen und die beiden Sitzplätze. Sollte es sich um ein Rekordfahrzeug handeln ergeben zwei Sitzplätze aus heutiger Sicht wenig Sinn. Ebenso die offenen Cockpits, bei vielen Rekordfahrzeugen aus späterer Zeit waren diese aus aerodynamischen Gründen geschlossen. Die Räder wurden ja auch verkleidet, ob da allerdings der Gedanke des Luftwiderstandes mitspielte weiss man nicht. Leider ist die Zeichnung mit keinerlei Beschreibungen versehen, auch die Entstehungszeit liegt im Dunkeln. Aufgrund des Motors mit den einzelnen Zylindern kann die Zeit um den ersten Weltkrieg angenommen werden. Am auffälligsten sind aber die Räder, sie sehen wie Sägeblätter aus. Eine Nachfrage in Bonneville ergab, dass man damit vermutlich auf Eisflächen fahren wollte.
Wenn jemand etwas über dieses Fahrzeug weiss, ist Herr Bracchi für jeden Hinweis dankbar. Einfach das Kommentarfeld unten benützen, vielen Dank.
Ergänzungen vom 13.10.2018 aufgrund eines Facebook-Threads:
Ein User vermutet, dass es sich um ein Boot handeln könnte, nicht um ein Auto. Tatsächlich sprechen einige Punkte dafür. Die Schaufelräder, ein Heckruder, die Gestaltung des Bugs, keine ersichtlichen Bremsen. Der Hebel neben dem Fahrersitz könnte eine Handbremse sein, die auf die Kardanwelle wirkt. Im Wasser würde das funktionieren, jedoch sicher nicht auf festem Untergrund wie Schotter, Schnee oder Eis, die Bremswirkung wäre viel zu gering. Zudem sieht man in der Seitenansicht eine gestrichelte Linie, die als Wasseroberfläche interpretiert werden kann. Gegen ein Wasserfahrzeug spricht allerdings der Antrieb der vorderen Räder und das massive Achsgehäuse. Ein Boot steigt normalerweise bei der Beschleunigung vorne aus dem Wasser und es ist fraglich, ob dann die vorderen Räder noch etwas genützt hätten. Vielleicht hätte das Gewicht vorne auch dazu dienen sollen, das Gefährt waagerecht auf dem Wasser zu halten.
Ergänzungen vom 15.10.2018:
Die Zeichnung wurde in verschiedenen Facebook-Gruppen und auf Twitter publiziert und es kommen laufend viele interessante Kommentare und Ideen zusammen. Es scheint mittlerweile klar zu sein, dass es sich wirklich um ein Boot handelt. Die Paddel, das Ruder, die fehlende Lenkung der Räder und keine ersichtlichen mechanischen Bremsen ausser einem Hebel neben dem Fahrersitz machen nur auf Wasser einen Sinn. Ist dieser Hebel eine auf die Kardanwelle wirkende Bremse, würde das nur auf Wasser funktionieren, auf festem Untergrund wäre die Reibung viel zu gross und somit die Bremswirkung viel zu gering. Ein weiteres Merkmal ist die schmale hintere Spur. Damit wird erreicht, dass die Paddel der hinteren Räder im ruhigeren Wasser und nicht in der Gischt der Vorderräder für Vortrieb sorgen. Auch sind die hinteren Radverkleidungen nach hinten hochgezogen, damit das hochschiessende Wasser nach hinten wespritzen kann. Die Bugpartie spricht ebenfalls für ein Wasserfahrzeug und die verkleidete Vorderachse kann man sich V-förmig vorstellen, was in der Frontansicht tatsächlich wie ein Schiffsrumpf aussehen würde.
Diskussionen entstanden auch um den Motor. Einige meinen, es handle sich um einen V8 und nicht um einen 4 Zylinder-Motor. Sieht man sich die gezeichneten Zylinder genau an erkennt man, dass diese unten halbrund sind, also nach vorn zum Betrachter hin bzw. in Fahrtrichtung nach rechts geneigt sind. In der Draufsicht würde also nur die rechte Zylinderreihe eingezeichnet. Es könnte aber auch sein, dass es ein 4-Zylinder-Motor ist, der nach rechts geneigt eingebaut wurde. So würde das Getriebe nach oben kippen und wäre genau in der Flucht der beiden Kardanwellen auf Höhe der Achsen. Vielleicht ist der Motor mit dem eigenartigen Getriebe von weiterem Interesse. Wäre dieses Gefährt tatsächlich gebaut worden, hätte man sicher einen vorhandenen Motor verwendet. Ob es ein Auto, Schiffs- oder Flugmotor ist, kann z.Z. nicht gesagt werden. Vielleicht erkennt ein Spezialist diesen Motor.
Hallo Fredi,
ein Dossier aus dem BAR über Adolf Saurer enthielt Bilder der DO E “Wal” von 1926.
Diese wurde nach der Landung im Wasser aus demselben gerollt wurde.
Es sind ca. 2 Meter Durchmesser grosse Rollen die an den unteren Stumpfflügeln angebracht wurden.
Die Bilder dazu sende ich separat zu, da siehst Du was ich genau meine.
Ich kann mir vorstellen, das es Prototypen davon gab für diese Verschiebung aus dem Wasser.
Gruss Thomas
Vieles spricht für ein Speedboat. Allerdings hätte das in dieser Form nicht funktioniert. Nur schon das Leergewicht wäre im Verhältnis zum Auftrieb des schmalen Rumpfes kritisch gewesen.
Diese schöne Zeichnung ist vermutlich als Fantasieprodukt eines selbsternannten Erfinders entstanden.
Danke für den Hinweis. Das ging uns auch durch den Kopf, als wir die Zeichnung sahen. Das zeigt, dass Theorie und Praxis zwei paar Schuhe sind. Aber cool ist die Idee.
Freundliche Grüsse
Fredi Vollenweider + Team DREAM-CARS
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