Ein ganz spezielles Fahrzeug ist der Wanderer W25 Roadster Stromlinie, welcher 1938/39 für die Fernfahrt Liège-Rom-Liège (Lüttich, Belgien) in 4 Exemplaren extra gebaut wurde. Diese Fernfahrt wurde von 1931 bis 1960 ausgetragen und war berüchtigt, weshalb man das Rennen auch ‘The Road Marathon’ nannte. Zum Beispiel 1959 führte die Route durch halb Europa und war etwas mehr als dreimal so lang wie die Mille Miglia, nämlich 5’064 km. Das ging mächtig in die Knochen der Fahrer und den Fahrzeugen ans Material. Das Rennen war Strassenfahrzeugen vorbehalten, war also nicht ausgelegt für reinrassige Rennfahrzeuge. Die Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich galt schon kurz nach ihrer Entstehung 1931 als die schwerste internationale „Ohnehalt-Langstrecken-Zuverlässigkeitsfahrt“. Am auch als „Königin unter den Rallyes“ gerühmten Wettbewerb durfte nur zum Tanken angehalten werden – oder bei Defekten. Die Fahrerteams, die mindestens 50 Kilometer Fahrstrecke pro Stunde zurücklegen mussten, saßen bei ihrem Dauerritt über die Ardennen, die Alpen und den Apennin und zurück mehr als 100 Stunden ohne Unterbruch am Lenkrad. Eine fast unvorstellbare Leistung auf den damaligen Strassen, die oftmals noch nicht asphaltiert waren. 1939 kamen alle drei gestarteten Wanderer Stromlinie der Auto-Union ins Ziel: Die Fahrerkombinationen Momberger/Weidauer und Müller/Menz belegten punktgleich Platz vier und Trägner/Fritzsching Platz zwölf. Die Auto-Union gewann damit die für Werksteams wichtigste Auszeichnung – den „Coupe des Constructeurs“, die Markenwertung. 1938 hatte man Pech: In Führung liegend, mussten Krämer/Münzert 30 Kilometer vor dem Ziel wegen eines Bagatelle-Schadens an der Nockenwelle aufgeben. Die Fernfahrt gibt es seit einigen Jahren als Revival wieder, natürlich nicht als Rennen, sondern als Rallye und Gleichmässigkeitsprüfung. https://liege-rome-liege.org/de/.
Nun aber zurück zu den 4 Wanderer W25, welche für das damals härteste Rennen der Welt gebaut wurden. Der Wanderer W25 Stromlinie Spezial Sportwagen ist 4,35 Meter lang, 1,65 Meter breit und 1,28 Meter hoch. Der 900 Kilogramm leichte Aluminium-Roadster erreicht bei 70 PS (4800 U/min) eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Der Sechszylindermotor mit Dreifachvergaser und zwei Litern Hubraum geht auf eine Entwicklung Ferdinand Porsches zurück, der Anfang der 30er-Jahre eine neue Motorengeneration für die Marke Wanderer konstruierte. Das 4-Gang-Getriebe hatte einen zuschaltbaren Schnellgang. Für die Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg also ganz gute Werte, was sich im Erfolg an der Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich widerspiegelt. Dann kam der Krieg und damit verbunden einige dunkle Jahre der Geschichte, in denen es wie für so vieles auch für den Motorsport keinen Platz mehr gab. Genau so dunkel wie die Kriegszeit ist auch die Geschichte der Wanderer W25 Stromlinie. Alle Fahrzeuge verschwanden oder wurden zerstört. Möglich ist auch, dass die Autos den Krieg überdauerten und danach in den ersten Nachkriegsjahren, wo überall Mangelwirtschaft herrschte, umgebaut wurden. Das Aluminium der nutzlosen Karosserien konnte sinnvoller genutzt werden und auf die Chassis setzte man einen Aufbau, mit dem Personen und Material transportiert werden konnte. Man hat also aus einem originalen Sportwagen einen ‘Special’ im umgekehrten Sinn gemacht. Natürlich sind das alles Spekulationen. Es ist auch gut möglich, dass die Autos, wie die Auto-Union D- und C-Rennwagen, in die Sowjetunion gebracht wurden. Von den Auto-Union-Rennern tauchten in den Achtzigerjahren Teile und Fragmente auf, die als Basis für Rekonstruktionen dienten. Aber von den Wanderer W25 Stromlinie fehlt bis heute jede Spur. Nicht einmal Pläne und Zeichnungen blieben übrig.
Wie kommt es dann, dass am Klausenrennen Memorial 2006 eines dieser Fahrzeuge startete? Die Antwort kann man sich denken, es ist ein Nachbau. Audi liess vor knapp 20 Jahren in der Werkstatt von Werner Zinke im sächsischen Zwönitz 3 Fahrzeuge nachbauen. Die Karosserien entstanden nach Fotos, Überreste der Originale oder gar Konstruktionszeichnungen und ähnliche Unterlagen gab es wie erwähnt nicht. Als Basis dienten 3 originale ‘Rolling-Chassis’ in mehr oder weniger gutem Zustand. Man hatte also die Masse von Spur, Radstand usw., der Rest musste ‘neu erfunden’ werden. Der Restaurator Werner Zinke musste sich vor allem an historischen Fotos orientieren.“ Nach Computerberechnungen wurde ein Drahtgitter-, dann ein Holzmodell konstruiert, die Bleche in Handarbeit auf Ledersäcken geklopft und mit der ‘Englischen Rolle’ geglättet. Zwei Jahre dauerten die Arbeiten. So entstanden also wieder 3 Fahrzeuge in Handarbeit, wie damals, so originalgetreu, wie eben nur möglich. Was vom Original abweicht ist das Getriebe, hier griff Audi auf ein moderneres 5-Gang-Getriebe zurück, welches in der Handhabung einfacher ist als das originale mit 4 Gängen und Schnellgang. Das ist aber ein Detail und es geht in erster Linie um die Form, die Erscheinung und das Aussehen dieser Rennwagen. Ein weiterer Vorteil der einfacheren Handhabung ist der Einsatz an Oldtimerevents, wie am erwähnten Klausenrennen Memorial 2006 in der Schweiz, wo unsere Bilder entstanden. Den Bericht mit vielen Bildern kann man hier nachlesen.
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