Die Mille Miglia – das berühmteste Langstreckenrennen der Welt – feierte in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen. 1927 erstmals ausgetragen und 1957 nach mehreren schweren Unfällen zum vorerst letzten Mal durchgeführt, erlebte die Mille Miglia 1977 eine Renaissance als Gleichmässigkeitsprüfung. Gefahren wird aber noch immer die Strecke von 1000 Meilen, auch die magischen Worte Brescia – Rom – Brescia gelten noch heute. Wir machten uns also auch dieses Jahr wieder auf den Weg um die Mille Miglia zu dokumentieren. Auch für uns war der Start in Brescia, wo die Fahrzeuge nach der technischen Abnahme auf dem Messegelände auf der Viale Venezia Aufstellung nehmen und dann zuerst Richtung Stadtzentrum starten. Vor dem historischen Stadtkern von Brescia geht es dann zweimal links stadtauswärts Richtung Gardasee zum Checkpoint in Sirmione. Es ist immer wieder interessant am Start, man verspürt eine gewisse Nervosität und manch einer freut sich sicher schon auf den Sonntagnachmittag, wenn er wieder am gleichen Ort kurz vor dem Ziel steht.
Reden wir aber nicht vom Schluss der Mille Miglia, denn es stehen 4 harte, ereignisreiche und lange Tage vor den Teilnehmern – und auch vor uns. Wir machten uns also noch während die Fahrzeuge starteten auf in Richtung Sirmione ins Hotel Marconi, wo für uns dann der erste Tag zu Ende war. Die erste Etappe führte die Teilnehmer aber noch weiter bis nach Padova. Wir entschlossen uns, am 2. Tag eine kleine Abkürzung von knapp 1000 Kilometern zu machen und fuhren von Sirmione nach Modena, wo wir das MEF – Museo Enzo Ferrari – besuchten. Viele sagen, das sei das schönere Museum als das Werksmuseum in Maranello. Auch wenn es bei beiden Museen um Ferrari geht, ist der Vergleich etwas schwierig, aber den Geist Enzo Ferraris verspürt man eher in Modena als in Maranello. In Modena hat die Geschichte von Ferrari auch seinen Ursprung, Vater Alfredo hatte im noch immer existierenden Gebäude eine mechanische Werkstätte und so kam Enzo schon früh mit Technik und Autos in Berührung. Wir hatten also einen eher geruhsamen Tag, wärend die Teilnehmer die 2. Etappe von Padova nach Rom unter die Räder nahmen.
Wir liessen also die 2. Etappe aus, klinkten uns aber auf der 3.Etappe von Rom nach Parma wieder in den riesigen Tross von über 1’000 Autos ein. Neben den 460 Fahrzeugen der Mille Miglia sind noch die Teilnehmer des Ferrari Tribute sowie Fahrzeuge der Organisation, Supporter, Rennleiter und Medienvertreter auf der Strecke. Wieviele Medienfahrzeuge unterwegs waren wissen wir nicht, aber wir waren längst nicht die letzten, die ihre Kleber auf dem Messegelände erhielten. Uns wurde die ‘Startnummer’ 110 zugeteilt. So waren wir also gut gerüstet und durften offiziell mitfahren und ‘gehörten dazu’. Nicht akkreditierte Fotografen und solche die versuchten, sich irgendwo durchzumogeln, wurden von der Polizei und dem Security-Personal gnadenlos kaltgestellt. Auch auf der Strasse haben die Teilnehmer mit Polizeigeleit Vorfahrt, da muss der normale Verkehr zurückstehen und warten.
Von Freitag bis Sonntag übernachteten wir in Maranello und fuhren vor dort aus den von Rom kommenden Teilnehmern entgegen. Wir suchten uns in der Gegend von Pavullo nel Frignano einen guten Standort in der hügeligen Gegend. Die Ankunft der ersten Fahrzeuge war erst am späten Nachmittag und so hatten wir genügend Zeit und hofften, in der Abendsonne schöne Stimmungsbilder machen zu können. Aber wir machten die Rechnung ohne den Wirt bzw. das Wetter. Dunkle Wolken zogen auf und es wurde richtig unfreundlich. Wir änderten unseren Plan also schnell und fuhren in den kleinen Ort Pievepelago. Die Strasse durch das Dorf war geschmückt, dekoriert und gesäumt von zahlreichen Zuschauern, man spürte richtig die Freude und gute Stimmung. Die wurde allerdings rasch getrübt durch eine heftiges Gewitter, in höheren Lagen sogar mit Schneefall. Die ersten Teilnehmer der vorausfahrenden Autos des Ferrari Tribute hatten noch trockene Strassenverhältnisse, aber dann kam heftiger Wind auf und es begann zu schütten wie aus Kübeln.
Wir bissen auf die Zähne und harrten natürlich aus, es ist ja schliesslich auch unser Job. Nach der Durchfahrt der rund 100 Ferrari kamen erst gegen 18 Uhr die ersten Teilnehmer, viele in offenen Autos aus den Zwanzigerjahren mit mehr oder weniger komfortablen Verdecken, die aber oftmals schon gar nicht erst geschlossen wurden, denn genützt hatten sie eh nicht viel. Wir wollten nach den ersten Fahrzeugen eigentlich wieder weiter, als plötzlich der Regen nachliess und es von Süden her aufklarte. Tatsächlich zeigte sich nochmals die Sonne und auf der Rückfahrt gab es doch noch die erhofften Bilder in der Abendsonne.
Kurz nach 20 Uhr fuhren wir weiter nach Modena zum tags zuvor besuchten Museo Enzo Ferrari. Dort war ein Checkpoint eingerichtet. Die Teilnehmer mussten durch das Museumsgelände fahren und am Ende wurde jedes Fahrzeug dem Publikum vorgestellt und präsentiert. Sehr stimmungsvoll, die Fahrzeuge im Scheinwerferlicht und zu Livemusik. Für uns war dann gegen 23 Uhr Feierabend und wir fuhren zurück nach Maranello, wo wir kurz nach Mitternacht endlich unser ‘Mittagessen’ serviert bekamen. Für die letzten Teilnehmer dürfte es bei der Ankunft in Parma noch wesentlich später geworden sein. Aber man darf nicht jammern, es ist alles freiwillig.
Dennoch fragten wir uns, wann für die Teams Zeit bleibt für Körperpflege, Essen und Schlafen. Der Schweizer Gian-Pietro Rossetti, erfahrener Mille Miglia-Teilnehmer erklärte uns wie das so ist und tatsächlich ist das so, primär geht es ums Fahren. Eigentlich klar, wenn man vom Donnerstagnachmittag bis Sonntagnachmittag über 1’600 Kilometer mit einem Oldtimer im normalen Strassenverkehr zurücklegen muss. Zum Vergleich: Stirling Moss brauchte mit seinem Beifahrer Denis Jenkinson 1955 im Mercedes-Benz 200 SLR nur gerade 10 Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden, was eine Durchschnitts-geschwindigkeit von 157,651 km/h ergibt. Der bekannte Rennwagen mit der roten Startnummer 722, was der Startzeit 07:22 Uhr entspricht, war dieses Jahr nicht mit von der Partie. Aber ‘normale’ 300 SL waren in einer doch ansehnlichen Stückzahl vertreten und viele Fahrzeuge von Mercedes-Benz Classic gingen mit prominenten Fahrern an den Start. Jochen Mass, Adrian Sutil und Matthias Malmedie waren am Lenkrad zu beobachten.
Am Sonntag erwarteten wir die Teilnehmer wieder auf der Viale Venezia in Brescia bei prächtigstem Sommerwetter. Es ist noch interessant, wenn man die eigentlich gleiche Situation kurz vor dem Start und kurz vor dem Ziel vergleicht. Am Sonntag ist jegliche Spannung wie weggeblasen, überall ist man froh über das Geleistete, man lacht und macht Spässe. Auch wenn man doch einige Fahrzeuge mit deutlichen ‘Kampfspuren’ beobachten konnte, man nahm es gelassen. Ich stand vor zwei Jaguar C-Type, der eine hinten eingedrückt, der andere vorne. Auf meine Nachfrage bestätigte der britische Fahrer, dass das sein Missgeschick sei, aber sie seien Freunde und das werde auch so geregelt. Schön, wenn man trotz eines solch kleinen, wenn auch teuren Vorfalls, Freunde bleiben kann.
Sieger in diesem Jahr wurde die Startnummer 74, ein Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport von 1931, mit dem Team Andrea Vesco und Andrea Guerini. Herzliche Gratulation zu diesem Erfolg.
Alle weitere Resultate und Informationen rund um die Mille Miglia gibt es unter www.1000miglia.it.
Damit die Ladezeit nicht zu lange dauert haben wir die Bildergalerie aufgeteilt in folgende einzelne Seiten.
Bildergalerie von der 1. Etappe Brescia – Padova
Bildergalerie von der 3. Etappe Rom – Parma
Bildergalerie von der 4. Etappe Parma – Brescia
Bildergalerie Mille Miglia und Ferrari diverse
Bildergalerie von Ferrari Tribute
Bildergalerie MEF – Museo Enzo Ferrari
Die Bilder gibt es auch im Bildershop
Video 1 von der Durchfahrt im Museo Enzo Ferrari in Modena
Video 2 von der Durchfahrt im Museo Enzo Ferrari in Modena, Toto Wolff, Mercedes-Sportchef auf dem Beifahrersitz des 300 SL W 194 Prototyp von 1952
Pingback: 2017: Mille Miglia | http://www.dreamcar.ch